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: Zweifelhafter Spaß

Mal ein bisschen Krieg spielen ist kein Phänomen irgendwelcher durchgeknallten Randgruppen. Am PC hat jeder die Möglichkeit dazu. Und die meisten haben es schon getan. Mal mehr und mal weniger. Ganz legal, so lange sie dabei nicht die Grenzen der freiheitlich demokratischen Grundordnung verletzen. Wenn es aber um die originalgetreue Nachstellung ganzer Schlachten geht, kommt eine ganz andere Qualität hinzu. Mit „echtem“ Interesse an der Geschichte hat dies nicht immer etwas zu tun. Wer sich auf diese Art der Geschichtserfahrung einlässt, hat wahrscheinlich anderes im Kopf. Die Grenzen zwischen Spaß und Ernst können schnell überschritten werden. Es geht im Extremfall auch um Gewalt.

Dass derartige Veranstaltungen auch ein Sammelbecken für Neonazis sind, ist dabei nicht verwunderlich. Wehrsportübungen gehören dort schon seit vielen Jahren zum festen Programm, und nirgendwo sonst ist die Fixierung auf Waffen oder Uniformen so tief verankert wie in der rechten Szene. Dass die neuen Nazis gerne auf den Spuren ihrer großen Vorbilder wandeln, ist dabei nur logisch. Interessant wird es, wenn Polizei und Staatsschutz behaupten, es sei ja nur ein Teil der Kriegsspieler der Neonazi-Szene zuzurechnen. Im Fall des „Europäischen Darstellungsvereins für lebendige Geschichte“ sind es 30 von 80. An der Spitze des Vereins steht ein Neonazi. Wie kommt er nur dahin? Unwissenheit oder im schlimmsten Fall Duldung durch die übrigen Mitglieder. Da hilft nur eines: Dem zweifelhaften Spaß ein Ende setzen. HOLGER PAULER