Kinder ohne Rechte

Internationales Symposium über „Kinder auf der Flucht“ klagt Hamburger Senat wegen eklatanter Menschenrechtsverletzungen an

Von Marco Carini

Sie kennen keine Kindheit. Sie kennen nur Gewalt, Not, Knast und Krieg. Sie haben keine Rechte. Und sie sind nirgends willkommen, schon gar nicht in dieser Stadt, die sich unablässig ihrer Weltoffenheit rühmt. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge: entwurzelt, verfolgt, traumatisiert. „Kinder auf der Flucht – Internationale Kinderrechte durchsetzen“ lautet der Titel eines Symposiums, das am heutigen Samstag zwischen 10 und 17 Uhr im Philosophenturm (Von Melle-Park 6) der Hamburger Uni stattfindet.

Eingeladen zu dem Kongress haben die VertreterInnen von zwei Dutzend Organisationen aus Hamburg, der gesamten Republik aber auch benachbarten Ländern. Im Fokus steht dabei der Umgang Hamburgs mit minderjährigen Flüchtlingen, der nach Aussage der Veranstalter „unvergleichbar schlimm“ ist.

„Die Hamburger Praxis im Umgang mit minderjährigen Flüchtlingen hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verschärft“, erklärt die in der vergangenen Legislaturperiode „abgeschaffte“ Ex-Ausländerbeauftragte Ursula Neumann: „Kinder werden heute ohne ihre Eltern abgeschoben“– das war noch vor Kurzem undenkbar.“

Dass Kinderrechte für Flüchtlinge „in Deutschland, insbesondere in Hamburg nicht gelten“, beklagt die Pastorin Fanny Dethloff, Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Kirche. Dass die Bundesrepublik zu den ganz wenigen Ländern der Welt gehört, die sich weigern, die UN-Kinderrechtskonvention auch auf Flüchtlingskinder anzuwenden, sei schon „unerträglich“. Denn damit werde diesen Kindern das Recht auf eine medizinische Grundversorgung, auf Bildung und auf eine kindgerechte Unterbringung genommen.

Die Hamburger Praxis aber, minderjährige Flüchtlinge „nach medizinischen Zwangstests willkürlich und systematisch älter zu machen“, um sie auch noch ihrer wenigen verbliebenen Rechte zu berauben und sie in andere Bundesländer „wegverteilen“ zu können, sei „ein Skandal“. Zudem habe Hamburg die Zahl der Erstaufnahmeplätze für minderjährige Flüchtlinge unter der CDU-Regentschaft von 250 auf 25 gesenkt und würde auch diese nur noch zur Hälfte belegen. Sämtliche Jugendpensionen seien bis Ende 2003 ebenso geschlossen worden wie fast alle Hilfsangebote für junge Flüchtlinge. Dethloff: „Hamburg fühlt sich für diese besonders schutzbedürftigen Kinder und Jugendlichen nicht mehr zuständig.“

Für Irmgard von Lehsten (UNICEF) ist es „unvorstellbar, was Kinder und Jugendliche in dieser Stadt an Leid erfahren müssen“. Fünf Arbeitsgruppen, in denen es um das Verschwinden, das Ältermachen, die Haftunterbringung, die Traumatisierung und zu schlechter Letzt die fehlenden Bildungschancen von Flüchtlingskindern geht, sollen helfen, dieses Leid auf dem Symposium in Worte zu fassen.

Da dieses „internationale Beachtung“ finden werde, hofft Fanny Dethloff auf Druck gegen den Senat, der „Kinderrechte in einer Form missachtet, wie wir das in keinem anderen Bundesland erleben“. Denn jeder Dialog mit den Verantworlichen sei „längst abgerissen“. Dethloff: „Wir haben in dieser Stadt keine Ansprechpartner mehr.“