Waldboden-Vino für Feinschmecker

Der Diplom-Weinkenner Ewald Briesch probiert und kontrolliert Weine – als Angestellter des Landes Bremen. In seinen Seminaren an der Volkshochschule lernen auch Biertrinker und Aldi-Fans, wie gute Weine schmecken und wo sie ihre Lieblingstropfen wiederfinden. Im Interview rät er, statt im Supermarktregal beim Fachhändler des Vertrauens zu suchen

Sagen wir, ich möchte Wein verschenken, der nach mehr schmeckt als Alkohol, der mich aber nur wenig kostet – wo sollte ich suchen?

Ewald Briesch: Wenn man sich auskennt, kann man schon einmal im Discounter nach guten Weinen Ausschau halten. Das bedeutet allerdings try and error: man muss manchmal viele Kröten schlucken, denn die Qualität bei ein und demselben Wein kann sehr schwanken. Da glaubt man, einen wirklich leckeren Wein gefunden zu haben, und plötzlich hat man etwas im Glas, das mehr an Himbeersaft mit Alkohol erinnert. Überraschend ist das nicht: Man kann nicht von einem Wein noch und nöcher produzieren, irgendwann ist nichts mehr da. Außerdem dominieren die Discounter den Weinhandel und man muss sich überlegen, ob man das unterstützen will. Wenn zum Beispiel ein Chilene für 1,39 verkauft wird, bleibt abzüglich der Transportkosten eigentlich nichts mehr für den Winzer. Aber gerade in Deutschland ist die Schnäppchenmentalität sehr verbreitet.

Angenommen, ich gehöre zu den unbelehrbaren Schnäppchenjägerinnen. Woran kann ich im Supermarkt einen guten Wein erkennen?

Für Laien ist das schwierig. Auf das Etikett zum Beispiel kann man sich nur bedingt verlassen. Hinter einem „Vino da Tavola“ – der niedrigsten Qualitätsstufe bei italienischen Weinen – kann sich unter Umständen ein Top-Erzeugnis verbergen. Gute Weine sind nicht zwangsläufig teuer, aber fünf Euro sollte man mindestens investieren. In meinen Weinseminaren stürzen sich die meisten Leute bei Blindverkostung immer auf die Mittelpreisigen, die liegen so bei sieben bis neun Euro und sind in der Regel nicht so kompliziert wie Hochpreisiges. Viele stellen übrigens schnell fest, dass es doch gravierende Unterschiede fest und ihr Merlot vom Aldi noch getoppt werden kann.

Wenn ich überhaupt keine Ahnung von Wein habe: Kann ich mich dann überhaupt in ein Weingeschäft trauen?

Ja, aber unbedingt! Die Schwellenangst ist tatsächlich sehr verbreitet und möglicherweise gibt es Weinhändler, die zu der Verunsicherung der Leute beitragen. Allerdings ist es für den Händler leichter, wenn der Kunde oder die Kundin den eigenen Geschmack kennt und das auch formulieren kann. Ein Verkäufer, der Ihnen etwas empfiehlt, ohne Ihren Geschmack zu kennen, ist auf dem Holzweg. Da bekommen sie möglicherweise einen Wein mit Holz- oder gar Teernoten und und können damit überhaupt nichts anfangen. In Seminaren kann man probieren, wie „Waldboden“ oder „Lakritz“ schmeckt. „Fruchtig“ heißen leichte Rotweine, die nach Erdbeere oder Himbeere schmecken. Wenn Sie dann noch dazu sagen „aber bitte nicht so marmeladig“, dann wird der Händler die Australier wieder ins Regal stellen. Ich würde ihm außerdem sagen, wie der Wein getrunken werden soll, zu welchem Essen oder bei welcher Gelegenheit. Im Sommer zu einer Terrassenparty schenke ich nicht den hochgelobten Tropfen aus, das kann auch etwas vom Discounter sein, weil der Wein nicht so im Vordergrund stehen soll. Wenn ich aber einen haben möchte, um ihn abends bei Kerzenschein oder zu einem guten Buch zu trinken, muss der schon was hermachen.

Und was trinke ich zu Weihnachten?

Danach fragen ganz viele Leute. Pauschal kann man das eigentlich nicht beantworten, es muss ja zum Essen passen. Ich habe zum Beispiel vor Monaten schon einen badischen Zweigelt bestellt, eine Besonderheit, weil das eigentlich eine österreichische Rebsorte ist. In jedem Fall sollten es Weine sein, die wärmen. Schwere Weine, die ihre Reife haben, auch Aromen haben können, die in der Weihnachtsbäckerei vorkommen wie Gewürznelke aber auch Lakritz. Interview:
Eiken Bruhn