Tückischer Doppelhaushalt
: Masterplan minus Mindereinnahme

„Masterplan“ klingt gut. Nach Überblick, großem Wurf und planvollem Vorgehen – so gut, dass Bremens Kultursenator Peter Gloystein nun einen „Masterplan II“ auf den Weg gebracht hat. Der soll die „groben qualitativen Kriterien“ verfeinern, die Gloystein im Masterplan I aufgestellt sieht – unter maßgeblicher Beteiligung des Kulturhauptstadt-Büros. Dessen Zielrichtung: Weniger institutionelle Förderung, dafür mehr Flexibilität und Anreiz durch Projektgelder. Natürlich, so beruhigt Gloystein die VertreterInnen von weniger auf Außenausstrahlung denn auf Grundversorgung orientierten Einrichtungen, solle „das Gleichgewicht zwischen Kulturhauptstadt und bodenständiger Kultur erhalten“ bleiben. Der Senator salopp: „Die übliche Budgetmühle werden wir weiterhin haben. Trotzdem würde das neue Verfahren „für viele ungewohnt sein“.

Um nun also entscheiden zu können, welche Projekte die Vielversprechendsten seien, bedürfe es durchaus quantitativer Elemente. Gloystein: „Vielleicht brauchen wir so etwas wie ein Punktesystem.“ Über Genauerem soll eine umfangreich besetzte Arbeitsgruppe brüten – immerhin mittendrin: der Kulturrat als Vertreter der örtlichen Szene. Erstes Anwendungsfeld des neu zu schaffenden Bewertungsinstrumentariums werden die 98 Kulturhauptstadtprojektanträge sein, über die noch nicht entschieden wurde. 19 sind bereits nach den eher allgemeinen Prinzipien des „common sense“ (Gloystein) genehmigt worden.

Kaum entwickelt, werden diese Kriterien allerdings mit der Macht des Faktischen konfrontiert werden: Dem Kulturressort könnten im kommenden Frühjahr Einsparungen von knapp sechs Millionen Euro ins Haus stehen. Tücke des Doppelhaushalts: Das Ressort geht bereits mit einer Belastung von 900.000 Euro ins kommende Jahr, die trotz Inanspruchnahme der in jeden Haushalt eingestellten Planungsreserve in 2004 nicht aufgebracht werden konnten – der hierzu verwendete Fachausdruck: „Nicht auflösbare Minderausgabe“.

Weitere fünf Millionen verbergen sich hinter dem Euphemismus „personalwirtschaftliche Effekte“: Das sind Mittel, die der Finanzsenator durch entsprechende Verhandlungen mit den Gewerkschaften hoffte einsparen zu können – nun aber auf alle Ressorts umgelegt werden. Schon in knapp zwei Wochen muss die geplagte Kulturstaatsrätin Elisabeth Motschmann („wenn erst die fehlenden Kanzlerbriefmillionen aufgebracht werden müssen …!“) ihren StaatsratskollegInnen ein Sparkonzept vorlegen. Aber: „Die volle Quote werden wir nicht erbringen können“, sagt Ressortsprecher Christoph Helge Rheders schon jetzt. Schließlich seien 95 Prozent des 70 Millionen Euro umfassenden Kulturhaushalts durch institutionelle Förderungen fest gelegt.

Auch Generalintendant Klaus Pierwoß hat bereits Grenzen aufgezeigt: Im Falle weiterer Theateretatkürzungen werde er sein Amt niederlegen. Pierwoß: „Das ist kein bloßes Drohritual, sondern der Situation durchaus angemessen.“ Das habe er gestern auch auf einer Betriebsversammlung der gesamten Goetheplatz-Crew so mit geteilt. In der Tat entfällt auf sein Haus ein gutes Fünftel der gesamten „personalwirtschaftlichen Effekte“ des Kulturbereichs.

Der Intendant formuliert in küchenpsychologischer Nachvollziehbarkeit: „Wir können uns nicht ewig wie eine Zitrone quetschen lassen – und hinterher sagen die Leute: Da kommt kein Saft mehr.“ Wahrscheinlich hätte er besser gesagt: „Wir sind eine nicht auflösbare Mindereinnahme“. Der neue Kultursenator versteht so was.

Henning Bleyl