: Der Sendbote des Guten
Höllenglocken, Engelstrompeten und die markerschütternden Schreie der verlorenen Seelen: Der Sohn des Lichts, der Kölner „Geisterjäger John Sinclair“, kämpft in den Hörspielen von Oliver Döring mit neuer Kraft gegen die Mächte der Finsternis und drängt die Untoten zurück in das Reich der Dunkelheit
VON KOLJA MENSING
Das hier ist nicht Harry Potter. Das hier ist Ernst. Draußen in der Dunkelheit wartet Satan auf den Tag, an dem er für immer die Herrschaft auf Erden übernehmen wird. Dämonen, Geister und andere Ausgeburten der Hölle bereiten sich auf die letzte Schlacht des Bösen vor. Doch es gibt einen Menschen, der mit einem Kreuz und einer mit Silberkugeln geladenen Beretta gegen die Mächte der Finsternis angetreten ist. Sein Name ist John Sinclair. Seine Feinde nennen ihn den Sohn des Lichts. Seine Freunde nennen ihn den Geisterjäger.
Wir kennen diesen Mann gut. Jedes einzelne Scharmützel seines unermüdlichen Kampfes mit den Söhnen der Nacht ist von seinem Chronisten Jason Dark in den Annalen des Bastei-Lübbe Verlags aufgezeichnet worden. Es sind mehr als 1.300 schmale, schwarz umrandete Heftchen, die wir einfachen Sterblichen uns Woche um Woche gegenseitig aus den zitternden Händen gerissen haben. Exit light, enter night. Und dann, als sich die vor Hass schäumenden Heerscharen des Bösen im apokalyptischen Jahr 2000 erneut zu einem Gefecht sammelten, haben wir die Schreie der verlorenen Seelen erstmals mit unseren eigenen, ungläubigen Ohren gehört.
Einige unerschrockene Sendboten des Guten zeichneten auf dem Heiligen Boden der alten Domstadt Köln mit Furcht einflößenden Maschinen das dumpfe Grollen Satans und den hellen Klang der Schwerter seiner Gegner auf. Oliver Döring, dessen Namen die Erzengel von da an in ihre Gebete einschlossen, dokumentierte im Auftrag einer kleinen und geheimnisvollen Vereinigung namens WortArt dünne Bänder und silberne Scheiben die auch im Moment der Gefahr noch schneidenden Sätzen John Sinclairs: „Ich atmete scharf durch den halb geöffneten Mund. Die Worte des Dämons hallten in meinem Schädel nach. Panik wallte in mir hoch.“
Der Sohn des Lichts war in das gespenstisch flüchtige Medium des Hörspiels übergewechselt, doch seine Kraft wurde damit noch größer. Die kaum zu bändigende Macht, die den stimmgewaltigen Inszenierungen aus dem grauen Grenzland zwischen Himmel und Hölle innewohnt, zeigte sich, als schließlich vor zwei Jahren „Der Anfang“ erschien: ein Blick zurück auf den Beginn einer der größten und unheimlichsten Heldensagen der Gegenwart. Abertausende von Menschen lauschten gebannt dem Drama eines schottischen Dorfs, in dem die Untoten in letzter Minute von John Sinclair, Oberinspektor bei Scottland Yard, zurück in das Reich der Dunkelheit gebannt wurden.
Das ist Geschichte. In diesen Tagen unterhalten uns die gottlosen Medien mit Berichten von den armseligen Kriegen, die Höllenknechte wie George W. Bush mit ihren seelenverwandten Dämonen in der ganzen Welt austragen. Nur wir wissen, dass es Scheingefechte sind – Ablenkungsmanöver des Bösen, das seine eigentlichen Schlachten im Verborgenen austrägt.
Immer neue, beunruhigende Tondokumente gelangen weiterhin aus den Kellern von Köln in die Öffentlichkeit. Gerade erst haben wir unsere geplagten Seelen mit dem geheimen Wissen über das Untier Barabas und seine Drachensaat beladen. Und auch wenn am Ende das Gute siegt, der Keim für weiteres Übel ist gelegt. Von Myxin, einem der Überläufer aus dem Reich der Dunkelheit, erfährt der erschütterte John Sinclair von den neuesten Plänen des in alle Ewigkeit verdammten Dr. Tod: „Er plant die Gründung der Mordliga. Einer weltumspannenden Organisation, die sich aus Verbrechern und Dämonen zusammensetzt.“ Für einen Moment fühlt da sogar der große Geisterjäger die Erschöpfung: „Weltumspannend. Gönnt mir doch mal eine Pause.“ Aber wir wissen, dass das nicht ernst gemeint sein kann. So lange die Flamme der Hoffnung noch im Luftzug des Bösen flackert, ist keine Zeit für eine Rast.
Jason Dark: „Geisterjäger John Sinclair. Nr. 30: Die Drachensaat“. WortArt bei Lübbe Audio, Bergisch-Gladbach 2004. 45 Min., 4,95 €