Hemd näher als Hose

Der Bekleidungsriese Steilmann aus Wattenscheid wankt. Zur Sanierung der Firma werden 584 Mitarbeiter der Zentrale entlassen

„Die Belegschaft wird von den Beteiligten überhaupt nicht über das neue Konzept informiert.“

VON ELMAR KOK

Rumänien statt Ruhrgebiet, das ist das Konzept zur Rettung der Steilmann-Gruppe. Der Textilkonzern wird nur noch gut die Hälfte der Arbeitsplätze in Bochum-Wattenscheid erhalten. Statt 1.065 sollen nur noch 581 Beschäftigte in Wattenscheid zur Arbeit gehen. Die Standorte in Cottbus und Ochtrup werden geschlossen, dort verlieren 161 und 100 Arbeitnehmer ihren Job.

Zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber brodelt es. Aber auch unter den Arbeitnehmervertretern gibt es Streit: „Von uns haben die doch gar keinen eingeladen“, beschwert sich IG-Metall-Sekretär Jürgen Schmidt über die Zusammensetzung der Pressekonferenz, die gestern von Betriebsrat und Geschäftsführung durchgeführt wurde. Seit gestern ist der Beschäftigungspakt, 1996 zwischen IG Metall und Konzernspitze geschlossen, hinfällig. Der Vertrag garantierte der Gewerkschaft bis Ende des Jahres, dass Steilmann immer mindestens 2.000 Menschen beschäftigte. Kündigungen gibt es dann zu Neujahr.

„Wir werden die Leute dazu auffordern, Kündigungsschutzklage einzureichen“, sagt Schmidt. Die IG Metall sei bereit, in der prekären Lage zu helfen, kündigt Schmidt an. Allerdings sei die Kommunikation schwierig: „Die sind dort für niemanden zu erreichen“, zudem sei die Belegschaft gar nicht informiert. Schmidt schlägt den Arbeitnehmern vor, eine Transfergesellschaft zu gründen, um Arbeitsplätze zu retten. Im Hause Steilmann hat man die Situation auf dem Bekleidungsmarkt unterschätzt. Der Umsatz geht bundesweit seit fünf Jahren zurück, in diesem Jahr allein um zehn Prozent im Vergleich zu 2002.

Dabei hatte Britta Steilmann, die Tochter des Konzerngründers Klaus Steilmann, schon vor einem Jahr die Sanierung des Unternehmens für abgeschlossen erklärt. Schon damals produzierte Steilmann 70 Prozent seiner Kleider im Ausland, 30 Prozent wurden in immer weniger Produktionsstätten in Deutschland hergestellt. Großunternehmer Steilmann hat sich in den letzten Jahren von fast allen seiner 50 deutschen Tochterunternehmen getrennt. Das Cottbusser Werk wird nun von einer billigeren Produktionsstätte in Rumänien ersetzt.

Der Standort Ruhrgebiet wird fast völlig ausgeweidet. Nur ein paar Jobs in Wattenscheid dürften übrig bleiben, während die Musterproduktionen in Herne und Gelsenkirchen zum Verkauf stehen. Das Unternehmen machte vor zehn Jahren mit 15.000 Beschäftigten noch 900 Millionen Euro Umsatz und muss heute mit einer halben Milliarde profitabel sein.

Die Wattenscheider, die schon mal Lagerfeld-Kreationen nähten und heute für C&A, Karstadt und Marks&Spencer Kleidung fertigen, wollen nun mit neuem Konzept in eine bessere Zukunft. Britta Steilmann, „Öko-Managerin 1993“, will mit der aktuellen Kollektion ein Gesamtpaket anbieten. Steilmann wähnt sich für alles zuständig: Ware, Präsentation und Kalkulation sollen für die Anbieter im Hause Steilmann konzipiert werden. So soll der Großhandel künftig komplett versorgt werden.

Nach dem Rückzug von Patriarch Klaus Steilmann vor vier Jahren hat es immer wieder Wechsel in der Konzernleitung gegeben. Nach Tochter Britta wurde der ehemalige Hugo Boss-Manager Joachim Vogt Chef der Firma, danach wieder Britta. Seit dem Sommer versucht sich Schwester Ute als Generalunternehmerin des 1958 gegründeten Unternehmens.