GEW geht führungslos in Debatte um Schulen

Bildungsgewerkschaft muss neuen Kopf suchen. Wenige Tage vor Pisa 2 wird der Rückzug von Chefin Stange publik

BERLIN taz ■ In wenigen Tagen kommt die zweite Pisa-Studie auf den Markt – mit vorhersehbar negativen Noten für Schulen und Bildungspolitik. Schon jetzt wird in den Pressestellen fieberhaft an Sprachregelungen und Interpretationsanleitungen gefeilt. Nicht so bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die mächtige Organisation mit 270.000 Mitgliedern hatte gestern zu erläutern, wie sie mit einer Vorsitzenden auf Abruf in der Pisa-Debatte bestehen will. Eva-Maria Stange jedenfalls, die bisherige Chefin, wird diesen Posten bald räumen.

Stange will aus „persönlichen Gründen“ nicht mehr an der Spitze der GEW stehen. Dabei geht es um andere berufliche Perspektiven der 48-Jährigen, die seit acht Jahren die GEW führt und immer auch das Gespräch mit den KultusministerInnen suchte. Stanges Jobwechsel ist intern seit langem bekannt, gestern aber nun wurde die Information gestreut. Wer in der GEW hat ein Interesse, seine Vorsitzende wenige Tage vor der wichtigen Pisa-Veröffentlichung zu schwächen? Geht es darum, die konziliante Gangart gegenüber der Kultusministerkonferenz zu verschärfen? Die Minister haben ja die Frage der zersplitterten Schulformen zum Tabu erklärt. Die Gewerkschaft aber vertritt seit 40 Jahren die Auffassung, dass eine integrative Schule bessere Ergebnisse erzielen würde. Diese Lesart dürfte durch Pisa 2 neue Nahrung erhalten.

Innerhalb der Gewerkschaft gab man sich gestern gelassen. „Wir sind stark genug einen guten Stabwechsel hinzubekommen“, hieß es. Eva-Maria Stange selbst appellierte schon mal vorsichtig an ihren Nachfolger in spe, „eine konstruktive Bildungspolitik zu vertreten“. Indes ist klar, dass das nicht alle in der GEW so sehen. Es gibt eine eher fundamentalistische Sichtweise in der Gewerkschaft, die sowohl in der Schulformfrage als auch bei Themen wie Globalisierung oder Hartz IV ein schroffere Auffassung vertreten – gerade auch gegenüber den Regierungen und Parteien.

Nach Informationen der taz bewerben sich in der GEW bislang zwei Personen um Stanges Nachfolge. Der Berliner GEW-Chef Ulrich Thöne, der zwar ohne große Hausmacht ist, aber bei den selbstbewusst bis trotzig linken Gewerkschaften gut ankommt. Und Rainer Dahlem, der die GEW in Baden-Württemberg leitet. Dahlems Credo lautet, die GEW müsse optimal nach außen vertreten werden – und das geht nicht über die Verkündung ewiger Wahrheiten.

Das Zünglein an der Waage könnte der große Landesbezirk Nordrhein-Westfalen sein. Dessen Chef Andreas Meyer-Lauber sagte der taz, es sei nun wichtig, bei der Bevölkerung für die Vorteile einer „Schule für alle“ zu werben. Allerdings ist auch klar: Nicht jeder der 44.000 GEWler aus NRW ist für eine so softe Linie zu haben. CHRISTIAN FÜLLER