Vietnamesin in JVA Dresden gefesselt

Pro Asyl kritisiert die Behandlung einer Abschiebegefangenen als „menschenrechtswidrig“. Gefängnisleitung räumt Fesselung ein und erklärt, man habe einen Selbstmord der Frau verhindern wollen: „Mildere Methoden standen nicht zur Verfügung“

VON MARINA MAI

In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Dresden ist im März und November an einer Abschiebegefangenen die so genannte Schaukelungsfesselung angewandt worden, die nach Einschätzung der Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl „menschenrechtswidrig im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention“ ist. Dabei wurden der Gefangenen die Hände hinter dem Rücken und die Füße gefesselt. Ihr wurde ein Helm aufgesetzt, und in Bauchlage wurden dann Hand- und Fußfesseln miteinander verbunden. „Mein Körper war krumm wie eine Garnele“, schreibt die vietnamesische Gefangene Thi N. in einer Eingabe an die JVA-Leitung. „In der Nacht waren wegen der zu festen Fesseln meine Hände und Füße geschwollen.“

JVA-Leiter Bernhard Beckmann bestätigte gegenüber der taz die Fesselung, die im ersten Fall 25 Minuten, im zweiten 135 Minuten gedauert habe. „Wenn die Frau angibt, ihr Körper sei dabei gekrümmt gewesen, ist das allerdings Quatsch“, schränkt er ein. Auch der Begriff „Schaukelungsfesselung“ stört ihn. „Sie sollte nicht schaukeln.“ Vielmehr sei eine „Ruhigstellung“, wie Beckmann es nennt, notwendig gewesen, um den Suizid der stark selbstmordgefährdeten Frau zu verhindern. „Mildere Methoden standen nicht zur Verfügung. Unsere Psychologen sind nicht Tag und Nacht erreichbar.“

Hubert Heinhold, Rechtsexperte von Pro Asyl, nannte die Fesselungsmethode „nicht nur erniedrigend und schmerzhaft, sondern auch gefährlich“. Laut einem amnesty-Bericht hat sogar die sonst nicht zimperliche New Yorker Polizei 1987 diese Fesselung verboten, nachdem sie zum Erstickungstod von Festgenommenen geführt hatte.

In Deutschland ist Pro Asyl nur ein weiterer Fall von Schaukelfesselung bekannt. Am Frankfurter Flughafen wurde sie 1999 bei einem sudanesischen Abschiebekandidaten angewandt. Die Flüchtlingsorganisation hat Strafanzeige gegen vier Polizeibeamte gestellt. Die Ermittlungen laufen. Heinhold: „Wenn die Vietnamesin aus Dresden eine Strafanzeige wünscht, werden wir das auch tun.“ Er bezeichnete es als „Mittelalter“, wenn eine psychisch kranke Frau mit Gewalt ruhig gestellt werde. „Psychologen unterliegen dem ärztlichen Standesrecht und müssen deshalb Tag und Nacht erreichbar sein. Da sollte man auch in Dresden jemanden finden.“ Frau Thi N. hat wegen ihrer Suizidgefährdung nach Angaben der Anstaltsleitung psychologische Behandlung bekommen, die jedoch nach JVA-Angaben ohne Dolmetscher stattfand. Für Heinhold eine „absurde Scheintherapie“.

Ursula Mai von Pax Christi aus Dresden, ehrenamtliche Betreuerin der Gefangenen, bezweifelt, dass es bei dem Vorfall vom November tatsächlich um die Verhinderung eines Suizids gegangen sei. In einem Brief hatte die Vietnamesin ihrer Betreuerin geschrieben, sie habe lediglich protestiert, weil ihr das Duschen untersagt wurde, und dabei in ihrer Erregung gefragt: „Soll ich denn tot sein?“ Da die JVA nicht mit Dolmetschern arbeite, habe sie diese rhetorische Frage sicher fehlgedeutet, räumt die Frau ein.