Kalter Winter beim Roten Kreuz

Das Rote Kreuz schließt Ende der Woche die Wärmestube in der Samariterstraße in Friedrichshain. Grund ist eine Kündigung, von der die Zuständigen zu spät erfahren haben wollen. Die Folgen des Kommunikationsdesasters trifft rund 80 Obdachlose

VON SUSANNE AMANN

Berliner Winter sind kalt. Das weiß jeder, der mindestens einen erlebt hat. Nur bis zum Berliner Roten Kreuz (DRK) scheint sich das noch nicht rumgesprochen zu haben. Denn es will zum Ende dieser Woche die Wärmestube für Obdachlose in der Samariterstraße in Friedrichshain schließen: Essensausgabe, Kleiderkammer, Duschmöglichkeiten, soziale und medizinische Betreuung – all das wird von heute auf morgen der Vergangenheit angehören.

Das Ende der Einrichtung, die pro Tag rund 80 Menschen versorgt, kam abrupt: Erst seit knapp zwei Wochen wissen Mitarbeiter und Betroffene, dass sie gehen müssen. „Ich bin nicht einmal persönlich darüber informiert worden“, sagte Gertrud Gumlich der taz. Die Ärztin versorgt seit acht Jahren einmal pro Woche die Patienten, die zumeist ohne Krankenversicherung zu ihr in die Samariterstraße kamen. Obwohl sie die gesamte Arbeit ehrenamtlich mache, habe es keinerlei Kontakt von Seiten des Roten Kreuzes gegeben.

Dort gibt man sich bedeckt, sowohl was die Gründe als auch was den Umgang mit den Mitarbeitern angeht. Im DRK-Landesverband verweist man an den Kreisverband Müggelspree, der als Träger allein verantwortlich sei. Dort wiederum schiebt man die Schuld an den Insolvenzverwalter weiter, der seit August 2001 die Geschäfte des bankrotten Landesverbandes führt. Der habe die Räume für die Einrichtung zum Ende des Jahres zwar gekündigt. „Das wurde aber nur dem Landesverband und nicht uns mitgeteilt“, sagte Hans Großpietsch, Geschäftsführer des Kreisverbandes. Auch er selbst habe erst vor zwei Wochen von der bevorstehenden Kündigung erfahren. Mitarbeiter sagten der taz jedoch, dass es schon sehr viel länger klar gewesen sei, dass die Kündigung anstehe.

„Es ist für uns sehr bitter, und wir bedauern es außerordentlich, dass wir unser Haus hier schließen müssen“, so Großpietsch. Man sei schon auf der Suche nach Ersatzräumlichkeiten, habe sich auch an das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg gewandt. „Das Problem ist aber auch, dass wir vom Bezirksamt keine verbindlichen Zusagen für die Finanzierung erhalten. Deshalb können wir keine neuen Räume anmieten.“

Ein Vorwurf, der Kerstin Bauer wütend macht. „Das stimmt einfach nicht“, ärgert sich die PDS-Bezirksstadträtin für Gesundheit und Soziales. Der zuständige Ausschuss habe im Gegenteil beschlossen, im kommenden Jahr genauso viele Mittel zu vergeben wie bisher. „Das ist schon schwer genug angesichts der aktuellen Finanzkrise.“ Über die Aussage von Großpietsch wundert sie sich deshalb: „Es gab keinerlei Hinweise, dass wir das Geld nicht zur Verfügung stellen.“

Dass das Rote Kreuz die Schließung der Wärmestube veranlasst hat, hat auch die Stadträtin erst von den Mitarbeitern anderer Einrichtungen erfahren. Denn die versuchen jetzt, die Menschen aufzunehmen, die bisher in die Samariterstraße kamen. „Wir versuchen, das im Laufe der Woche zu organisieren“, so Bauer. Aber sie könne nicht dafür garantieren, dass das problemlos ablaufe.

Denn die Samariterstraße war der Anlaufpunkt für viele Obdachlose oder sozial Schwache: „Die Sozialarbeiter dort haben vorbildlich gearbeitet“, sagt Gertrud Gumlich. „Einige der Besucher wären nicht mehr am Leben, hätte es sie nicht gegeben.“ So etwa ein Dialysepatient, den die Ärztin zusammen mit den Sozialarbeitern betreut. Der muss dreimal in der Woche zur Blutwäsche. Wie er jetzt ohne „Hausarzt“ weiterbehandelt werden soll, weiß Gumlich nicht. Klar ist nur: Verlässt er sich auf das Rote Kreuz, wird es für ihn wohl ein sehr, sehr kalter Winter.