Hans Koschnicks weite Welt

GESCHICHTE Bremens Alt-Bürgermeister erzählt in einem Interviewbuch mit Rupert Neudeck aus seinem Leben und aus seiner Zeit als Weltreisender in Sachen Frieden

Neudeck liest auf Koschnicks Stirn: „Weder tollkühn noch ängstlich.“

VON FELIX ZIMMERMANN

Da sitzen zwei Männer im Bremer Presseclub, sie trinken Wasser, vor ihnen stehen rote und gelbe Rosen. Sie reden über die Welt und über sich.

Als die Fotografen kommen, rücken sie nahe aneinander, sonst passt die viele Lebenserfahrung nicht aufs Bild: Hans Koschnick und Rupert Neudeck. Der eine war Bremens Bürgermeister und Leiter des Wiederaufbaus der herzegowinischen Stadt Mostar, der andere Radio-Journalist, Initiator des Rettungsschiffes Cap Anamur und des Friedenskorps „Grünhelme“.

Koschnick trägt Anzug und Krawatte, mit der er zwischendurch die Brille putzt. Neudeck sieht aus, als käme er aus dem Urlaub – gerade hat er mit den Grünhelmen die 29. Schule in der afghanischen Provinz Herat eröffnet.

Darüber könnte er viel erzählen, aber hier geht es um sie beide, vor allem um Koschnicks Sicht auf alles, was sich zwischen Kindheit und Jetzt ereignet hat. Sie haben ein Buch verfasst, „Weder tollkühn noch ängstlich“ heißt es, was nicht nur, aus Neudecks Sicht, Koschnick charakterisiert, sondern auch einen Link zwischen beiden herstellt: Neudeck ist 1939 in Danzig geboren und liebt seine Heimatstadt, Koschnick initiierte 1976 die Städtepartnerschaft zwischen Bremen und Danzig – und das Stadtwappen ziert dieser Spruch auf Lateinisch: Nec temere, nec timide. Neudeck versichert, er sehe diese Worte auf Koschnicks Stirn gemeißelt, was der – ernsthaft oder aus Koketterie – weit von sich weist.

Man erfährt so einiges aus der Welt des früheren Weltpolitikers Koschnick, etwa wie skeptisch Koschnick gerade in Konfliktgebieten die von Verträgen geprägte Außenpolitik sieht. Zu selten bringe sie Verständnis für die Menschen auf, nur aber wer darauf Rücksicht nehme, könne ein Nebeneinander zerstrittener Bevölkerungsgruppen entwickeln, „aus dem vielleicht einmal ein Miteinander wird“. Koschnick sagt, er traue keiner Regierung und denkt nicht nur an Neudecks Grünhelme, als er sagt, wie sehr es auf Initiativen von Nicht-Regierungorganisationen ankomme.

Die beiden haben oft zusammen gesessen, sie streifen Koschnicks Kindheit, sie sprechen über Koschnicks Wirken in Mostar und wie er beinahe Opfer mehrerer Attentatsversuche wurde, sie plaudern über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die Deutschen und die Polen und die Sozialdemokraten Brandt, Kreisky und Palme.

Es ist viel drin in dem Buch, vielleicht springt es zu häufig durch die welt- und lokalpolitischen Themenblöcke, die den Politiker Koschnick beschäftigt haben. Oder ist das ein Abbild seines Berufslebens, in dem ihm in Bremen mitunter vorgeworfen wurde, er strebe zu sehr in die Welt hinaus und kümmere sich nicht genug ums Lokale?

In vier oder fünf Sitzungen hätten sie sich diese „Zeitgeschichtsschreibung in Interviewform abgerungen“, sagt Neudeck. Koschnick ergänzt, es sei nicht teuer gewesen, „denn er“ – Koschnick weist auf Neudeck – „war mit etwas Tee und Kaffee zufrieden“, während er selbst gerne etwas anderes gehabt hätte. Dann bestellt er ein Kirschwasser. Weil keiner mittrinken will, einen doppelten.