Wanzengate im CDU-Haus

Am Mittwoch beginnt der Prozess um die Wanzen im CDU-Haus. Angeklagt: ein Ex-Kripobeamter. Wem die Wanzen nutzen sollten, ist bislang unklar. Klar scheint hingegen, dass CDU-Chef Neumann seinem Kronprinzen Jens Eckhoff nicht traut

BREMEN TAZ ■ Venedig hat seinen wunderbaren Commissario Brunetti, Bremen wartet noch auf den Kommissar, der die Verwicklungen zwischen CDU-Politikern, ehemaligen Kripobeamten und gewöhnlich krimineller Unterwelt enthüllen kann. Am Mittwoch beginnt der Prozess um die Wanzen-Affäre im CDU-Haus, und im Drehbuch für den Prozess wimmelt es vor Ungereimtheiten, die der Aufklärung harren.

Zur Erinnerung: Am Freitag, dem 13. Juni 2003, kam der blinde Amateurfunker Dieter C. ins CDU-Haus und berichtete, er höre Stimmen. Die Vertraute und Sekretärin Sigrid Wolfram erzählt CDU-Landeschef Bernd Neumann von dem merkwürdigen Besuch. Dieser wollte die Sache prüfen lassen, zog den damaligen Fraktionschef Jens Eckhoff, der in den Jahren zuvor zwei sicherheitstechnische Untersuchungen im CDU-Haus veranlasst hatte, nicht ins Vertrauen. Wenige Tage später wird eine Wanze in Neumanns Büro gefunden und ausgebaut. Neumann und Fraktionsvize Helmut Pflugradt treffen sich mit dem Chef des Landesamtes für Verfassungsschutz. Alle verabreden, der Polizei nichts zu sagen. Doch eine Woche nach dem ersten Besuch taucht der Amateurfunker erneut auf, wieder hat er Stimmen gehört und diesmal Jens Eckhoff erkannt. Der wird erst jetzt informiert.

Rückblick 2000: Stasi-Experten im CDU-Haus

Im November 2000 hatte Eckhoff einen alten Bekannten aus Zeiten des Sportmarketing für die Handballerinnen vom TUS Walle, den unehrenhaft entlassenen Kripobeamten Klaus U., gebeten, die Räume des CDU-Büros sicherheitstechnisch zu überprüfen. Klaus U. führte mit seinem Partner Gero R. die Firma „SCS“, Security Consulting Service. Da die beiden nicht über ausreichend Sachkenntnisse verfügten, schalteten sie den ehemaligen Stasi-Mann Ralf Beyer aus Berlin ein. Beyer hat mittlerweile einen Strafbefehl über zehn Monate auf Bewährung wegen der Sache akzeptiert. Er gestand, dass seine Firma mit dem schönen Namen „Agentur für Beweissicherung“ vom Bremer Geschäftspartner SCS den Auftrag bekommen hatte, zwei Wanzen-Sender einzubauen – eine bei Eckhoff, eine bei Neumann.

So weit, so schlicht. SCS-Mann Klaus U. steht am Mittwoch als Angeklagter vor Gericht, der ex-Stasi-Mann Beyer ist wie Neumann und auch Jens Eckhoff, heute Bausenator, als Zeuge geladen. Trotz vieler Ungereimtheiten nimmt die Kripo seit dem Geständnis des Stasi-Mannes an, dass ihr ehemaliger Kollege U. hinter der Sache steckt. Ein Indiz: U. hatte den Stasi-Experten Beyer beim Einbau gefragt, ob man von einem Haus schräg hinter dem CDU-Haus den Sender abhören könne, erinnerte sich Beyer bei einer Vernehmung.

Der blinde Funker, ein Doppelagent?

Dieser Hinweis brachte den blinden Amateurfunker kurz in Verdacht. War er nicht Aufklärer, sondern Täter? Er wohnt da, wohin der SCS-Chef gezeigt hatte. Hatte Klaus U. – er kannte die Mutter des Funkers – den Blinden zum Abhören einsetzen wollen? 18 Monate nach dem Wanzeneinbau bestellte die Firma SCS bei ihren Berliner Spezialisten zwei Scanner und Aufnahmegeräte, die Beyer auf die beiden Frequenzen des CDU-Hauses einstellen sollte.

Aber was könnte das Motiv von Klaus U. gewesen sein? Gab es dritte Auftraggeber? Bei dem Versuch, die Spuren der Firma SCS zu sichern, stieß die Staatsanwaltschaft auf allerlei dubiose Merkwürdigkeiten. Unter der offiziellen Geschäftsadresse war kein SCS-Büro zu finden. Schlüssel führten die Fahnder zu einem Tresor, der an einer ganz anderen Adresse im Lagerraum einer Zeitarbeitsfirma stand. In den Privaträumen von U. fanden die Ermittler bei einer Hausdurchsuchung allerhand brisantes Material, mit dem man den früheren Innensenator Ralf Borttscheller gut erpressen könnte: Dessen Darlehensverträge mit dem früheren CDU-Spitzenpolitiker und Finanzsenator Ulrich Nölle. Sammelte Klaus U. politisch brisantes Material?

Eckhoff selbst sagt, dass er mit SCS-Mann Klaus U. seit 1999 bewusst keinen Kontakt mehr gepflegt habe. Dazu will nicht recht passen, dass Eckhoff den SCS-Mann im Jahr 2000 in einer so sensiblen Sache wie der Sicherheitsüberprüfung engagierte und ihm den Generalschlüssel für das CDU-Haus überließ. Erstaunlich ist auch, wie bereitwillig Eckhoff die hohen Rechnungen für die angeblichen Prüfungen aus der Kasse der CDU-Fraktion bezahlen ließ.

CDU-Chef Neumann jedenfalls traute seinem Kronprinzen Eckhoff nicht über den Weg und hatte deshalb, als der blinde Funker im Juli 2003 den ersten Hinweis gab, die Wanzen-Affäre erst ohne Eckhoff aufklären wollen. Im August 2004 begann der Weser Report, dessen Verleger auch privat Kontakte zu Neumann pflegt, eine Kampagne gegen Eckhoff („Hat Eckhoff Ermittler belogen?“). Am Sonntag verkündete Weser Report-Chefredakteur Axel Schuller, mit dem anstehenden Prozess seien Eckhoffs Karrierepläne „endgültig überholt“. Ein erstaunlicher Vorgang.

Scheint doch das Geständnis des Stasi-Mannes den Verdacht von Eckhoff zu nehmen, er habe seinen Parteivorsitzenden abhören lassen wollen. Was bleibt, sind die Verbindungen des CDU-Politikers Eckhoff mit einer dubiosen Szene halbseidener selbst ernannter Privatdetektive, deren Kopf, Klaus U., der Kripo entstammt.

Pikante Verstrickungen bis nach China

Für einen Bremer Commissario Brunetti dürfte auch ein anderes Detail nicht ohne Reiz sein: Der Berliner Stasi-Mann hatte die Wanzen nicht etwa für das Bremer CDU-Haus besorgt, sondern auf Wunsch von Gunter von Hagen. Denn er arbeitete auch für den Professor der „Körperwelten“, die Bremer Wanzen sollten eigentlich in China zum Einsatz kommen. Der Film könnte mit einem gruseligen Blick auf chinesische Leichen beginnen.Klaus Wolschner