Hurra, wir leben noch

Die deutschen Skispringer feiern dank Rang zwei und neun von Alexander Herr einen gelungenen Saisoneinstand. Noch besser machen es freilich die nordischen Kombinierer

AUS KUUSAMO KATHRIN ZEILMANN

Die Überraschung ist gelungen. Nein, ganz ehrlich, mit solchen Resultaten habe man nicht gerechnet, sagte Skispringer Michael Uhrmann: „Wirklich, ich habe heute früh zum Georg Späth noch gesagt, dass wir froh sein können, wenn wir in die Punkte springen.“ Will heißen: Ein Platz unter den besten 30; Motto: Sich nur nicht zu sehr blamieren zum Auftakt. Doch dann haben die deutschen Springer beim ersten Weltcupspringen der Saison am Samstag in Kuusamo doch eine gute Vorstellung gegeben. Alexander Herr belegte hinter Janne Ahonen (Finnland) Rang zwei – und erreichte damit sein bestes Weltcup-Resultat. Michael Uhrmann als 8., Georg Späth als 11. sowie Jörg Ritzerfeld als 13. ließen es gar nicht mehr so schlimm erscheinen, dass ausgerechnet Martin Schmitt das Finale verpasst hatte. Und auch das eher durchwachsene Ergebnis vom gestrigen Springen, das erneut Janne Ahonen gewann, fiel mit Platz 9 von Herr sowie den Rängen 11 (Uhrmann), 14 (Jörg Ritzerfeld), 18 (Georg Späth), 30 (Maximilian Mechler), 35 (Michael Neumayer) und 40 (Martin Schmitt) nicht ganz so stark ins Gewicht.

Noch am Samstag hatten die nordischen Kombinierer die wenigen Stunden Tageslicht in Kuusamo für ihre erste Saisonvorstellung genutzt. Bei der war Ronny Ackermann sogar noch ein bisschen besser als sein spezialisierter Kollege Herr – und gewann vor dem Finnen Hannu Manninen sowie dem Amerikaner Todd Lodwick.

Natürlich waren auch die Kombinierer und ihre Trainer von dieser Leistung überrascht, schließlich habe man versucht, die Saison so zu gestalten, dass Ackermann und Co. vor allem im Februar bei der WM in Oberstdorf top sind. „Wir haben den Formaufbau verzögerter gestaltet“, versuchte sich Trainer Hermann Weinbuch zu erklären. Pech gehabt: Ackermann war schon an diesem Samstag Ende November besser als die gesamte Konkurrenz. Was denn aber doch nicht als tragisch empfunden wurde, auch von Weinbuch nicht. Der ist seit 1996 Übungsleiter bei den Zweikämpfern und schon deshalb mit reichlich Erfahrung ausgestattet und sagte: „Wenn alles nach Plan läuft, müssten wir noch besser werden.“

Damit klang Weinbuch deutlich entspannter als sein Kollege Peter Rohwein, der die Spezialisten betreut. Rohweins erste Reaktion nach Herrs gutem Abschneiden am Samstag war eher lapidar. Er sagte: „Dafür, dass wir totgesagt wurden, leben wir ganz gut.“ Dass die Freude nach dem ersten gelungenen Wettkampf nicht so recht herausklang, mag auch daran liegen, dass der neue Cheftrainer der deutschen Skispringer doch unter enormer Anspannung stand: Erst seit sieben Wochen ist Rohwein im Amt, bisher war er vor allem damit beschäftigt, die Altlasten des gefeuerten Wolfgang Steiert aufzuarbeiten. Wie sehr dieser Spuren hinterlassen hatte, war in Kuusamo noch deutlich zu sehen: Vor dem ersten Springen präsentierte sich die deutsche Mannschaft den Medienvertretern eher wie ein verschüchterter Hühnerhaufen denn wie eine schlag- bzw. sprungkräftige Truppe mit Ambitionen. War das am Ende geschickte Taktik – oder gab es wirklich Zweifel am eigenen Können? Wohl doch eher Letzteres, jedenfalls sagte Rohwein nach dem ersten Springen: „Ich bin ein wenig überrascht.“ Und auch Georg Späth versicherte ernsthaft: „Vor drei Tagen habe ich wirklich noch nicht gedacht, dass wir so gut sind.“

Und es hätte sogar noch besser laufen können, wie Alexander Herr berichtete: „Beim zweiten Sprung wollte ich wieder mit dem Kopf durch die Wand und habe nicht mehr so genau auf die Technik geschaut.“ Obwohl er doch ganz genau weiß, dass es im Wettkampf auf das richtige Verhältnis von Konzentration, Anspannung und Lockerheit ankommt. In der Vergangenheit hatte Herr sich damit oft schwer getan. „Er ist heute mit ernsthafter Gelassenheit gesprungen“, befand Rohwein deshalb.

Dass all die netten Überraschungen freilich schon anderntags nicht mehr allzu viel wert sein können, mussten die Kombinierer gestern erfahren. Zu aggressiv seien sie gesprungen, fand Weinbuch und stellte fest: „Die Mannschaft hat Herz gezeigt, aber es ging in die falsche Richtung.“ So war Ackermann vor dem Start in den 7,5-km-Lauf lediglich 20. und bezeichnete sein Auftreten auf der Schanze als „zu ungestüm“. Dass er am Ende auch am Sonntag einigermaßen zufrieden sein konnte, hatte der Oberhofer seiner Leistung in der Loipe zu verdanken, wo er schließlich noch auf den dritten Platz vorlief, geschlagen nur von jenen, die er anderntags noch hinter sich gelassen hatte: Manninen und Lodwick.