Retter rettet nicht

Mit Trainer Jörg Berger verliert Rostock erneut zu Hause und stellt den Negativrekord von Tasmania Berlin ein

ROSTOCK taz ■ Nach nur zwei Spielen steht auch der Retter vor einem Rätsel. „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagte Jörg Berger, und er meinte damit die neuerliche Heimpleite des seit gut einer Woche von ihm trainierten FC Hansa Rostock. 0:2 verloren die Kicker von der Ostsee diesmal gegen Bayer Leverkusen, was die achte Heimniederlage in Folge darstellte. Der Rekord von Tasmania Berlin ist damit eingestellt, die Definition des Verlierers um den Begriff Hansa Rostock erweitert. Immerhin fast 40 Jahre mussten ins inzwischen wiedervereinigte Land gehen, bis ein Verein mal wieder so eine schlechte Mannschaft hervorbrachte.

Der allgemeine Tenor im Anschluss war am Samstag mehr als deutlich: Das war’s wohl. Und Fakt ist zumindest: Der Trend für Rostock zeigt deutlich in Richtung Zweite Liga. Die traurigen Fakten: 7 Punkte Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz, dazu ein schockierendes Torverhältnis. Angesichts der noch ausstehenden Partien gegen Bielefeld und Dortmund ist es sogar fraglich, ob sich Hansa bis zur Winterpause überhaupt noch in den zweistelligen Punktebereich retten kann. Zumal die Wirkung des Trainerwechsels bereits verpufft zu sein scheint, noch ehe sie so richtig einsetzen konnte: Gab das 1:1 zur Berger-Premiere letztes Wochenende in Berlin noch Grund zu etwas Optimismus, so muss die Pleite gegen Leverkusen den Club nun um so mehr in tiefste Hoffnungslosigkeit stürzen.

Für Jörg Berger war diese Niederlage jedenfalls ein klarer Wirkungstreffer, festgezurrt durch die Treffer von Berbatov (36.) und Voronin. Auf der Pressekonferenz sprach Berger zwar mit klarer Stimme, doch er wirkte sichtlich geschockt: „Wenn man bei den Spielern schon nach 15 Minuten die blanke Angst in den Augen erkennt, ist nicht mehr viel drin.“ Er hatte auf dem Platz eine „tote Mannschaft“ gesehen. Eine Elf, die nicht mehr miteinander redet und mit hängenden Schultern über den Rasen trottet. Auf ganze zwei gelbe Karten brachten es die Rostocker im Überlebenskampf. Lantz und Allbäck kassierten diese – wegen Meckerns. Berger reihte drei einfache Worte aneinander, um das Unerklärliche zu erklären: „Angst frisst Seele.“ In Rostock hat die Angst die Seele bereits mit Haut und Haar verschluckt. Das Spiel gegen Leverkusen war nur noch das Bäuerchen danach.

An Wunder glaubt in Rostock nun keiner mehr, nicht einmal Berger: „Es fällt mir schwer, die Fans aufzumuntern, dass wir so schnell wie möglich die Kurve kriegen“, bereitete der Trainer erste Ausreden für die von ihm eingeleitete Nichtrettung vor. Auf den Rängen herrschte am Samstag das blanke Entsetzen. Nach dem Abpfiff waren die knapp 16.000 Fans sogar zu platt, um zu pfeifen. Es war einfach still. Nicht nur die Mannschaft scheint tot, auch das Umfeld liegt im kollektiven Koma. In der letzten Woche liefen Fans im ganzen Norden noch für Hansa einen Fackellauf, 24 Stunden am Tag, ohne Pause, Feuer und Flamme für Hansa. Nun liegt Rostock in Asche, aus der nur noch kalter Rauch aufsteigt.

Ein Aufbegehren ist jedenfalls weder auf dem Platz noch bei den Fans zu erkennen. Auf der Mitgliederversammlung letzte Woche wurde der Aufsichtsrat geschlossen bestätigt, und es herrschte eine Stimmung wie auf einer Weihnachtsfeier. Ein Kandidat verlas gar ungelenk selbst gereimte Oden an den FC Hansa. Klare Worte dagegen – Fehlanzeige. Stattdessen gab Vorstandschef Manfred Wimmer in seiner Bilanz über eine halbe Million Euro an Überschuss aus der letzten Saison bekannt, Geld, das sie wohl doch besser in den Kader investiert hätten.

Berger wollte die Personaldiskussion eigentlich bis in die Winterpause aufschieben. Nach diesem Wochenende setzte er das Thema Verstärkungen jedoch schon jetzt auf die Tagesordnung. Bedarf hatten gegen Leverkusen mit Ausnahme von Torhüter Schober alle Mannschaftsteile angemeldet. René Rydlewicz sagte nach der Partie: „Wir haben versäumt, gegen Mannschaften von unserem Niveau zu punkten. Leverkusen war zu stark für uns.“ So wie es derzeit aussieht, wird Hansa bis zur nächsten Saison warten müssen, um wieder gegen Mannschaften von gleichem Niveau spielen zu dürfen. DIRK BÖTTCHER