: Am Rande des Abgrunds
Nach dem 3:0 gegen den SC Freiburg in einem eher schwachen Südwestderby kann man beim 1. FC Kaiserslautern zuversichtlicher in die Zukunft blicken. In Freiburg hingegen herrscht Katzenjammer
VOM BETZENBERG GÜNTER ROHRBACHER-LIST
Als das renommierte Fußballmagazin France Football unlängst die 50 Spieler präsentierte, die als Europas Fußballer des Jahres zur Wahl stehen, befand sich darunter kein einziger Deutscher. Der hiesige Klubfußball dümpelt international fast unbeachtet vor sich hin und tritt auf der Stelle. Da kommt schon mal die Frage auf: War die Bundesliga tatsächlich einmal die stärkste Liga der Welt?
Nun darf man sicher nicht allzu viel erwarten, wenn der 1. FC Kaiserslautern als 15. der Tabelle auf den Vorletzten SC Freiburg trifft beim tristen Stelldichein zweier Südwestvereine, die drei Spieltage vor Hinrundenschluss bessere Platzierungen von sich erwartet hatten. Doch was die Teufel in ihren bordeauxroten Leibchen und die rot-weißen Breisgauer in den ersten 45 Minuten boten, war höchstens mittleres Zweitliganiveau und zeugte bereits von den düsteren Befürchtungen zweier Kontrahenten am Rande des Abgrunds. Erst nach einer halben Stunde unterbrachen die 20 Feldspieler ihre Fehlpassorgie und sorgten für etwas Unterhaltung für die gelangweilten Zuschauer. Lauterns Kamil Kosowski traf den Pfosten, auf der Gegenseite schoss Alexander Iaschwili ein paar Zentimeter am Tor von Tim Wiese vorbei.
Der auffälligste Akteur der ersten 45 Minuten war Schiedsrichter Jürgen Jansen, dem nur zu wünschen ist, dass er in seinem Beruf als Versicherungsfachwirt nicht so oft danebenliegt wie beim Fußball und auch mehr Durchsetzungsfähigkeit besitzt. Kurz vor der Pause benötigte er geschlagene drei Minuten zur Justierung der Freiburger Mauer bei einem Lauterer Freistoß. Für ihre Sturheit wurden die Unnachgiebigen dann eine Minute vor dem Pausenpfiff bestraft. Carsten Jancker legte ab auf Ioannis Amanatidis, der den Ball aus 15 Metern zum 1:0 im Netz unterbrachte. „Das Tor vor der Pause war wichtig für uns, weil der SC danach aufmachen musste und wir kontern konnten“, erklärte FCK-Trainer Kurt Jara nach dem Spiel, warum seine Mannschaft letztlich so klar mit 3:0 gesiegt hatte.
Es war aber nur der halbe Grund. Der Aufschwung der Lauterer in Halbzeit zwei trug einen Namen: Ciriaco Sforza. Der Schweizer feierte nach seinem Einsatz beim 1:3 bei Bayern München vor einer Woche nach über eineinhalb Jahren sein Comeback auf dem Betzenberg. Eingewechselt in der 46. Minute für den verletzten Thomas Riedl, brachte er Ordnung in die Koordination zwischen Abwehr und Mittelfeld, war offensiv, kreativ, aggressiv – alles zu seiner Zeit. Er dirigierte seine Mitspieler, verteilte die Bälle und ging keinem Zweikampf aus dem Weg. Fast wäre er zum Vorbereiter des 2:0 geworden, doch der tapsige Jancker stolperte in aussichtsreicher Position und fiel auf die Nase. „Ciri hat das Spiel in die Hand genommen“, freute sich Kurt Jara über seinen Glücksgriff.
So erfreulich der Auftritt Sforzas, so beängstigend war die Szene in der 62. Minute, als Tim Wiese einen Zusammenprall mit Ellery Cairo vermeiden wollte, sich von dem heranstürmenden Angreifer wegdrehte, ins Fallen kam und sich dabei das Knie verdrehte – Kreuzbandriss, der „worst case“ für die Roten Teufel und für seinen ambitionierten und abwanderungslustigen Torhüter, dem ein halbes Jahr Pause droht.
Erst 20 Minuten vor Schluss wurde das in den zweiten 45 Minuten bessere, weil immer spannendere Spiel entschieden. Ein weiter Pass von Kosowski erreichte Amanatidis, der an zwei SC-Verteidigern vorbeiging und den Ball zum 2:0 einschoss. Das 3:0 durch den Ex-Freiburger Ferydoon Zandi in der 87. Minute verfälschte das Bild von einem Spiel mit zwei Gesichtern, einem blassen und einem frischen, und mit zwei Mannschaften, die auf Grund ihrer Gesamtleistung genau dorthin gehören, wo sie in der Tabelle stehen. „Um ein Tor zu hoch“, fand denn auch Kurt Jara das Ergebnis, während sein Kollege Volker Finke positiv anmerkte, seine Mannschaft sei „nicht an die Wand gespielt worden“. Jetzt müsse man das „runterputzen und nach Hause fahren“. Allerdings würden die Spieler wohl „zwei, drei Tage brauchen, damit sie das Spiel aus dem Kopf kriegen“.
Und während man davon ausgehen darf, dass beim nächsten Freiburger Gastspiel auf dem Betzenberg der Trainer des Sportclubs immer noch Finke heißen wird, genießt Jara nun – nach 17 erreichten Punkten und vor dem sonntäglichen Derby gegen Mainz 05 – erst mal eine Art Überwinterungsgarantie, mehr nicht.
1. FC Kaiserslautern: Wiese (62. Ernst) - Lembi, Hertzsch, Mettomo, Tchato - Riedl (46. Sforza), Engelhardt, Zandi, Kosowski - Amanatidis, Jancker (72. Teber) SC Freiburg: Golz - Riether (70. Willi), Schumann, Mohammad, Berner - Cairo, Zkitischwili, Antar - Coulibaly, Tanko (62. Sanou) - Iaschwili Zuschauer: 30.741; Tore: 1:0 Amanatidis (44.); 2:0 Amanatidis (70.), 3:0 Zandi (87.)
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