Experiment 3sat

Fernsehfilm-Festival Baden-Baden: Die Gewinner stehen fest. Zum Feiern war das Ganze trotzdem nicht

Liebe 3sat-Zuschauer! Das hätten wir jetzt aber wirklich nicht von euch erwartet. Einfach den 3sat-Zuschauerpreis beim Baden-Badener Fernsehfilm-Festival einer Privatsenderproduktion hinterherschmeißen! Und das ausgerechnet zum 40. Jubiläum der Veranstaltung. Gut, die in ihrer Weltanschauung etwas sehr naiv-konservative ProSieben-Geschichte „Experiment Bootcamp“ um ein fiktives Jugendstrafgefangenenlager im kargen Brandenburgischen (Motto: Bootcamps bringen schon was, wenn die hübsche Psychologin ganz dolle aufpasst und den Oberschergen vom Nazi zum guten Polizisten umschweißt) war sehr souverän erzählt und passt bestimmt klasse ins Weltbild von Senderinhaber Haim Saban. Aber das macht man doch nicht.

Die offizielle Jury sah das ähnlich und vergab ihren Hauptpreis an Dominik Graf. Für seinen „Arbeiterfilm über das älteste Gewerbe der Welt“ (Jury-Begründung), das Zuhälterporträt „Hotte im Paradies“ (Buch: Rolf Basedow). Die Studenten der Filmhochschule Ludwigsburg schlossen sich mit ihrem Studentenpreis gleich an. Für Grafs unbestrittene „besondere Verdienste um den Fernsehfilm“ gab es dann noch den erstmals verliehenen Hans-Abich-Preis, der an den 2003 verstorbenen ehemaligen ARD-Programmdirektor und langjährigen Nestor der Baden-Badener Veranstaltung erinnert. Und weil wir schon mal dabei sind: Grafs zweites in Baden-Baden nominiertes Stück „Kalter Frühling“ gefiel der eher inoffiziellen Jury zufällig anwesender ungarischer Studenten vom Collegium Budapest am besten: Noch ne Urkunde. Darstellerpreise gab es für Maria Simon und Esther Zimmerling („Kleine Schwester“) und Matthias Schweighöfer („Baal“).

Graf hielt dann auch eine dem Jubelfest angemessene Rede, während sich das Festival ansonsten bemühte, ausgerechnet zum 40. Geburtstag die Rückkehr der Baden-Badener Tage zum grantelnden Altherrenclub zu zelebrieren. Festivalleiter Karl-Otto Saur trauerte längst vergangenen öffentlich-rechtlichen Zeiten hinterher. Und auch dem Juryvorsitzenden Norbert Schneider war jegliche ironische Brillanz abhanden gekommen, mit der er früher das Programm auseinander zu nehmen pflegte: Da saß ein Beamter aus Düsseldorf.

„Also: Verglichen mit anderen Jahren haben wir in dieser Woche eigentlich nichts völlig Indiskutables gesehen“, sprach der Direktor der NRW-Landesmedienanstalt in seinem Schlusswort. Das immerhin könnte erklären, warum der Rest der Jury in ihren Aussagen so ermüdend unkonkret blieb – und sich fast immer einig war. Wie bitte erklärt man das nun aber den 3sat-Zuschauern? STEFFEN GRIMBERG