Eine beeindruckende Logik

betr.: Pro und Contra Startbahn Hamburg, „Pankratius soll leben“ von Hannes Koch, „Arrogante Überflieger“ von Gernot Knödler, taz vom 23. 11. 04

Die Strategie der Neoliberalen ist voll aufgegangen. Keine Steuern zahlen und so die Staatsfinanzen zerrütten, danach den Sozialstaat schleifen, der angeblich am Desaster schuld ist, und dann weiter mit der Zerstörung der letzten noch übrig gebliebenen natürlichen Ressourcen – „alles andere können wir uns nicht leisten“. Die Wirtschaft hat einen Durchhänger? Ganz sicher nicht die deutschen Konzerne, die im Jahr 2004 nie gekannte Rekordgewinne erzielen. Die Verarmung wächst rasant? Stimmt, weil dieselbe Wirtschaft Löhne senkt und keine Steuern zahlt und CDUSPDGrünen-Politik Armut in maßlosem Reichtum erst herstellt.

Die Wahrheit ist: Wir können uns die Zerstörung des Sozialstaats nicht leisten und den Verzicht auf das bisschen Feigenblatt von Umweltschutz schon überhaupt nicht. 90 % der Fische sind aus den Meeren verschwunden, 80 % der Urwälder gerodet, der Klimawandel führt zu immer schneller schmelzenden Gletschern, mehr Stürmen und Dürren und irgendwann, ungebremst, mit Sicherheit in die Katastrophe. Aber nachdem 2004 in Deutschland 400.000 Stellen vernichtet wurden, könnte man ja für 80 neue Jobs vielleicht mal ganz Hamburg planieren? JOCHEN AHLEFF, München

„Umweltschutz ist ein Luxusartikel.“ Wirklich ein toller Satz: Unsere Umwelt wird weiter zerstört, jeden Tag sterben mehrere Tierarten aus und vielleicht auch wir selber (wäre nicht die schlechteste Lösung für die Natur). Aber Hauptsache, es werden Arbeitsplätze geschaffen. Dieser Satz erinnert an den Merkel-Satz: „Sozial ist, was Arbeit schafft.“ Mit diesem Satz lässt sich auch die Sklaverei rechtfertigen. UWE SAFIKA, Hückelhoven

Tja, nun knicken auch taz-Kommentatoren ein vor dem großen Geld … Eigentlich kaum zu fassen, dass Koch in dieser Zeitung wegen 80 Arbeitsplätzen einer derartigen Vernichtung von Lebensräumen und Natur das Wort redet und die Ökonomie, sprich die Interessen des globalisierten Kapitals, so eindeutig der Ökologie, den Lebensgrundlagen, vorzieht. Nun, von den Mördern des Hl. Pankratius redet heute auch keiner mehr, wohl aber werden noch Kirchen nach ihm benannt, und ich hoffe nur, dass der Kirchenvorstand von St. Pankratius in Neuenfelde der Haltung des Namenspatrons seiner Kirche gerecht wird. MARIA DIETZFELBINGER, Tübingen

Wenn wir schließlich alle Arbeitsplätze haben und keine Luft mehr zum Atmen, können wir uns ja um die Natur kümmern. Eine beeindruckende Logik! R. S., Wölfersheim

Hannes Koch irrt sich in seinem Kommentar, es gehe um einen „Grundsatzkonflikt: Ökologie oder Ökonomie“. Das war bei der vorigen Erweiterung des Airbuswerks im Jahr 2000 so, wo ein Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung, das Mühlenberger Loch, zugeschüttet wurde. Heute, bei der binnendeichseitigen Verlängerung der Werkslandebahn in ein Obstbaugebiet, geht es den über 200 Klägern zuvorderst um ihr Recht, über ihr Schicksal selbst zu bestimmen und es sich nicht von einem profitgierigen Großbetrieb und seinem willfährigen Senat diktieren zu lassen. Das hat Gernot Knödler in seinem „Contra“-Kommentar auch hinreichend dargelegt.

KLAUS BAUMGARDT, Reinbek

Wenn Airbus im gerichtlichen Verfahren in der Lage gewesen wäre, dem Gericht gegenüber einen wirtschaftlichen Schaden zu benennen, dann hätte es keinen Baustopp gegeben. Auch nachgeschobene Gutachten können den angeblich großen Arbeitsplatzzuwachs nicht nachweisen.

Um auf den Boden im Hier und Jetzt zu kommen: Airbus hat in den letzten Jahren das Auslieferungszentrum für A380 zugesagt und genehmigt bekommen. Es kann gebaut werden – ohne Startbahnverlängerung. Die Startbahnverlängerung ist nur für die Auslieferung von zwei (!) Exemplaren der Frachtversion erforderlich – ohne nennenswerten Arbeitsplatzzuwachs. Es geht nicht nur um Obstbauern und Kirchengemeinde, sondern um die Zukunft einer ganzen Region, um den Hochwasserschutz für über 20.000 Menschen, Zerstörung einer einzigartigen Kulturlandschaft. Wir können es uns nicht leisten, hunderte Millionen Euro für Spekulationen zu vergeuden, weil vielleicht und eventuell! Unser Nachbardorf Altenwerder wurde bereits für die Hafenerweiterung zerstört. Wir hier wissen, was uns blüht, wenn die Kirchengemeinde und die anderen Grundstücksbesitzer nicht standhalten. JEANETTE KASSIN, Hamburg