Sicherungsverwahrung für Asylbewerber

Österreichs Innenminister plant eine Verschärfung des Asylgesetzes. Begründet wird dies mit einer wachsenden Kriminalität der Antragsteller. Menschenrechtssprecherin der Grünen spricht von „Amoklauf gegen den Rechtsstaat“

WIEN taz ■ Vier von zehn Asylwerbern seien kriminell, ließ Österreichs Innenminister Ernst Strasser, ÖVP, letzte Woche verlauten. Diese Statistik dient ihm als Begründung für seinen Plan, das Asylgesetz erneut zu verschärfen. Straffällig gewordene Asylwerber sollen auch nach Verbüßen ihrer Strafe in Haft gehalten werden können. Bis zur Abschiebung.

Strasser rechtfertigt das als „Sicherungsverwahrung für jene Asylwerber, die unmittelbar nach der Haft untertauchen aber unter dem Titel Asyl in Österreich bleiben dürfen“. Betroffen wären auch Personen, die nur unter dem Verdacht stehen, eine Straftat begangen zu haben.

Nach Strassers Vorstellungen sollen sich verdächtige Asylwerber auch nicht mehr frei im Lande bewegen dürfen. So dürften die Flüchtlinge, die im Lager Traiskirchen bei Wien untergebracht sind, nicht mehr ohne Sondererlaubnis in die Bundeshauptstadt fahren. Das Asylverfahren soll im Übrigen dadurch abgekürzt werden, dass die dritte Instanz, der Verwaltungsgerichtshof, gestrichen wird.

Applaus erntete der Minister von der Freiheitlichen Fraktion. Jörg Haider sieht seine alten Forderungen aufgegriffen. Auch die Kronen-Zeitung sekundierte mit Berichten über Asylmissbrauch. Gerne wird ein „Herr A.“ als Beispiel herangezogen, der nach 26 Straftaten und fünf Verurteilungen im vergangenen April einen Asylantrag gestellt habe.

Menschenrechtsorganisationen und Opposition zweifeln aber an den Zahlen des Ministers. Denn er geht von Anzeigen, nicht Verurteilungen aus und berücksichtigt nicht, dass sich im Laufe eines Jahres viel mehr Flüchtlinge im Land aufhalten, als neu um Asyl nachsuchen. So gesehen, mache sich nur ein Viertel verdächtig. Außerdem werden Fremde, namentlich Schwarzafrikaner, besonders häufig angezeigt. Vor Gericht werden die meisten freigesprochen. Unbestritten ist aber, dass die Nigerianer im Drogenhandel eine wichtige Rolle spielen und georgische Banden sich auf Diebstahl spezialisiert haben.

Statt dem Problem allein mit Repression zu begegnen, solle man überlegen, ob es sinnvoll sei, dass Asylwerber keinen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, verlangen etwa die Grünen. Clemens Jabloner, der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes, hält wenig von der Instanzenverkürzung. Sein Gericht hatte im Vorjahr 860 Berufungen zu beurteilen, dieses Jahr waren es schon über 730. Seiner Meinung nach würde man sich dann an den Verfassungsgerichtshof wenden.

Terezija Stoisits, Menschenrechtssprecherin der Grünen, sieht einen „Amoklauf gegen den Rechtsstaat“. Die jüngste Verschärfung des Asylgesetzes wurde Mitte Oktober vom Verfassungsgerichtshof in ihren zentralen Punkten aufgehoben. Laut führender Verfassungsrechtler wie Theo Öhlinger drohe der jetzigen Novelle ein ähnliches Schicksal. RALF LEONHARD