SPD-Nachwuchs übt sich in Selbstblockade

Das junge „Netzwerk“ hat Konkurrenz bekommen: die „Denkfabrik“. Die etablierten Parteiflügel lächeln nur

BERLIN taz ■ Geduldig warteten Hubertus Heil und Martin Schwanholz am Freitagabend in einer Berliner Weinstube auf einen Bus mit 40 Schülern aus Niedersachsen. Der steckte wohl im Stau. Die Bundestagsabgeordneten, selbst aus Niedersachsen, wollten mit anderen Genossen vom SPD-„Netzwerk“ die Teenager durch die Hauptstadt führen. Ein ganzer Schwung von ihnen habe schon Interesse gezeigt, der Partei beizutreten.

Ist doch auch mal was. Wenn schon in der Fraktion nichts klappt. Dort sieht das „Netzwerk“, ein Interessenverbund der jüngeren SPD-Abgeordneten plus einiger Landespolitiker, derzeit kein Land. Gerade wurde einer der „Netzwerk“-Stars, die 36-jährige Nina Hauer, bei den Vorstandswahlen aus dem Amt der Parlamentarischen Geschäftsführerin gekegelt. Der konservative „Seeheimer Kreis“ bekam den Posten zurück.

Klare Sache, das war Rache, sagt Hubertus Heil: „Das ist der Versuch, uns klein zu machen.“ Die Komplott-Vermutung wurde von Seeheimern schon bestätigt. Sie lautet: Die Seeheimer haben mit ihren alten Widersachern von der „Parlamentarischen Linken“ (PL) abgesprochen, den vorlauten Nachwuchs für allgemeine Wichtigtuerei zu bestrafen. Die PL stimmte bei der Wahl der Parlamentarischen Geschäftsführerin also für die Kandidatin der Seeheimer. Im Gegenzug bekam die PL den Rheinländer Dietmar Nietan in den Vorstand.

Ergo: Bevor die etablierten Flügel einer dritten Kraft Raum geben, kungeln sie lieber entlang altvertrauter Fronten. Heil spricht von einem „Generationenkonflikt“. Nun zählt aber Nietan mit 40 Jahren ebenfalls zu den Jüngeren der Fraktion. Im Sommer hat er eine Gruppe mitgegründet, die „Denkfabrik“ heißt. Diese will eher Diskussionsplattform sein als Seilschaft, veranstaltet etwa Informationsabende zu Demografie. In der Runde sitzen meist jüngere Gesichter und auch Nichtpolitiker.

Die Denkfabrikler schwören zwar, dass Nina Hauer nicht durch eine Anti-„Netzwerk“-Kungelei, sondern aus Ablehnung der Person abgewählt worden sei. Allerdings hat diese Ablehnung wiederum mit dem „Netzwerk“ zu tun: Dessen Exponenten gehen den anderen „auf den Zwirn“. Sie trügen „die Nase einen Zentimeter höher“, weil sie „ihre Kongresse von der Wirtschaft gesponsert kriegen“, sagt ein Denkfabrikler.

Die Netzwerker sagen von der „Denkfabrik“, sie sei die Jugendabteilung der PL. Die „Denkfabrik“ sagt vom „Netzwerk“, es sei bloß Nachwuchs für die Seeheimer. Beide Gruppen sagen von sich, sie seien den Parteiflügeln nicht so einfach zuzuordnen. Und überhaupt, fragen sie alle, was ist denn heute noch links?

Da ungefähr liegt das Problem. Der SPD-Nachwuchs findet kein Projekt, mit dem er identifizierbar wäre. Selbst Pisa und Bildungsungerechtigkeit schlagen bei den Jüngeren nicht ein. Nur die Parteilinke Andrea Nahles hat es dank der Bürgerversicherung in einer gestern veröffentlichten Umfrage der Frankfurter Allgemeinen Sonntagzeitung zur „Blockiererin des Jahres“ gebracht.

Lieber werfen sich „Netzwerk“ und „Denkfabrik“ gegenseitig Karrierismus vor. Sie werden sich von den Altvorderen beider Flügel weiter belächeln lassen müssen. ULRIKE WINKELMANN