„Wowereits Drillingsvater“

Der Regierende übernahm eine Patenschaft für Babys eines „Kinderschänders“. Das Boulevardblatt B.Z. nutzt die Gelegenheit, den homosexuellen Politiker unter Missbrauchs-Schlagzeilen abzubilden

VON ROBIN ALEXANDER

Mit Kindern lassen sich Politiker gerne fotografieren. Das sieht dann so aus wie am vergangenen Sonntag: Da lächelte Klaus Wowereit von der ersten Seite der B.Z., in der Hand drei Teddybärchen, davor drei Körbchen mit drei Babys. Ein schönes Bild. Aber warum haben die Kleinen schmale weiße Balken vor den Augen? Der Vater, der auf dem Foto direkt neben Wowereit sitzt, ist sogar mit einem dicken schwarzen Balken unkenntlich gemacht. Und daneben steht in handhohen Lettern das schlimme Wort „Kinderschänder“.

Ein Politiker ist erledigt, wenn man ihn irgendwie mit Kindesmissbrauch in Verbindung bringen kann. Es geht um Andre L., einen Berliner, der 1999 die Tochter seiner damaligen Frau missbrauchte und dafür zu zwei Jahren Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Diesen Mann hat Wowereit einmal getroffen. Auf einem Termin im Roten Rathaus, bei dem besagtes Foto entstand. Der kam so zustande: Die Eltern von in diesem Jahr geborenen Drillingen konnten sich in der Senatskanzlei melden. Das taten drei Paare. Für ihre Kinder übernahm Wowereit die Ehrenpatenschaft bei einer kurzen Zeremonie, auf der auch Andre L. mit seiner Frau und den Drillingen anwesend war. Es gab eine Urkunde und einen Hinweis, dass die Eltern bei einer Stiftung 500 Euro pro Kind beantragen können. Mehr Kontakt gab es – nach Auskunft der Senatskanzlei – nicht.

Ein bisschen arg dünne. So hielten sich auch die Bild-Zeitung und die Ost-Konkurrenz Kurier auffällig zurück. Aber die B.Z. druckt das gleiche Foto seit Sonntag im unangenehmen Kontext – und zwar täglich: „Schock für Wowereit: Sein Drillings-Vater ist ein Kinderschänder“ (Sonntag), „Ex-Frau von Wowereits Drillingsvater klagt an: So missbrauchte er meine Tochter (9)“ (Montag), „Obwohl der Vater ein Kinderschänder ist: Wowereit bleibt Drillingspate“ (Dienstag). Die Texte behaupten keine nähere Verbindung Wowereits zum „Kinderschänder“. Aber die Möglichkeit, den einzigen bekennenden homosexuellen deutschen Spitzenpolitiker unter Kindesmissbrauchs-Schlagzeilen abzubilden, wird weidlich genutzt. „Bei uns gibt niemand dazu Auskunft“, erklärte gestern die B.Z.. Weder die Chefredaktion noch die mit der Angelegenheit betrauten Redakteure wollten sich äußern. „Wir recherchieren an diesem Thema noch weiter“, richtete stattdessen eine Sekretärin aus.

Im Rathaus glaubt man nicht, einen Fehler begangen zu haben: „Wir können nicht alle Eltern einem Generalverdacht aussetzen und sie durch einen Polizeicomputer schicken.“

„Wowereits Drillingsvater“ (B.Z.) mit der unangenehmen Vergangenheit ist ein PR-Desaster. Und nur der Abschluss einer verrückten öffentlichen Debatte um die Kinderfreundlichkeit eines homosexuellen Bürgermeisters. Eröffnet hatte die der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), der in einem Interview mangelnden Familiensinn in Berlin damit in Verbindung gebracht hatte, dass Wowereit „demonstrativ beim Christopher Street Day auf dem ersten Wagen mitfährt“. Nur eine Woche später konterte Wowereit mit der Idee, künftig Ehrenpatenschaften für Drillinge zu übernehmen. Angeblich sei dies lange geplant gewesen, doch der Zusammenhang mit dem absurden Schönbohm-Anwurf wurde nur mit einem deutlichen Augenzwinkern dementiert. Nun hat sich der Regierende gleich bei seiner ersten Patenschaft einen „Kinderschänder“ eingehandelt. Auflösen will Wowereit die Ehrenpatenschaften übrigens nicht. Es gehe, so ein Sprecher, „schließlich um das Wohl der Kinder“.