american pie
: Die Rückkehr der Mickymaus

Nach 19 Niederlagen in Folge gelingt Orlando Magic in der Basketball-Liga NBA endlich mal wieder ein Sieg

Es waren weiß Gott keine großen Erwartungen, mit denen 12.584 Menschen am Montag in Orlando zum Basketballspiel ihres Teams gegen die Phoenix Suns pilgerten. Aber was dann im ersten Viertel geschah, überstieg doch sämtliche Befürchtungen. Im Handumdrehen lag Orlando Magic mit 22 Punkten zurück, die 20. Niederlage in Folge war nicht nur so gut wie sicher, sondern drohte auch noch besonders verheerend auszufallen. Doch dann geschah etwas Erstaunliches. Punkt um Punkt kämpfte sich das Team aus Florida an die zusehends ihre Linie verlierenden Gäste heran, und am Ende hatte Orlando mit 105:98 gewonnen. Nach dem einsamen Sieg gegen die Knicks zum Saisonauftakt, nach zehn verlorenen Spielen mit Coach Doc Rivers, nach neun Niederlagen mit dessen Nachfolger Johnny Davis endlich wieder ein Erfolg. Der Negativrekord der Cleveland Cavaliers aus der Saison 81/82 mit 24 verlorenen Matches bleibt unangetastet. „Es ist schön zu spüren, wie sich ein Sieg anfühlt“, schwärmte Forward Gordan Giricek, während aus der Kabine laute Musik dröhnte und Davis zur Feier des Tages eine Flasche Champagner köpfen durfte.

Es ist gar nicht lange her, da hatte man bei Magic noch ganz andere Feierlichkeiten im Sinn. In seiner ersten Saison als Chefcoach hatte der Ex-Profi und vormalige TV-Kommentator Doc Rivers mit einem mediokren Team eine beachtliche Bilanz erreicht und war zum NBA-Coach des Jahres 2000 gewählt worden. Danach holten die Magic zum großen Wurf aus. Ein meisterschaftsreifes Team sollte her, wie jenes mit Penny Hardaway und Shaquille O’Neal, das 1995 nur knapp den Titel verpasste. Aus Toronto kam der angehende Superstar Tracy McGrady, aus Detroit der großartige Grant Hill, und eine kurze Zeit lang sah es so aus, als würde auch noch Tim Duncan in Orlando anheuern.

Mit der Absage von Duncan, der lieber noch mal mit den San Antonio Spurs Champion werden wollte, anstatt ins Disneyland-Domizil nach Florida umzuziehen, begann jedoch das Unheil, zumal Grant Hill nach einem Knöchelbruch nicht mehr richtig gesund wurde und in drei Jahren nur 47 Partien bestritt. Zwar schaffte es Orlando stets in die Play-offs, doch jeweils in Runde eins war Schluss. Das letzte Ausscheiden gegen die Detroit Pistons trotz 3:1-Führung in der Serie gab den entscheidenden Knacks. Danach wurde inklusive Vorbereitung nur noch zweimal gewonnen. „Inzwischen gehen wir mit dem Gefühl in die Spiele, dass wir ja sowieso verlieren“, sagte McGrady nach Niederlage Nummer 16, ein Defätismus, an dem auch der Trainerwechsel zunächst nichts ändern konnte.

Immerhin räumte der Rauswurf von Doc Rivers mit ein paar Konfliktherden auf. Der Coach hatte angesichts der Misere deutlich Nerven gezeigt, sich mit Spielern auf der Bank Wortgefechte geliefet und mit Tracy McGrady angelegt. Der Topscorer der letzten NBA-Saison spielte als einziger Akteur konstant gut, war jedoch zunehmend frustriert, wenn, wie gegen Denver, selbst 51 Punkte von ihm nicht zum Sieg reichten. Da kam es nicht gut an, dass Rivers ausgerechnet von McGrady, der sich im Stich gelassen und überfordert fühlte, mehr Einsatz verlangte, speziell in der Defense. „T-Mac“ jedenfalls machte kein Geheimnis daraus, dass er die Amtsübernahme des Rivers-Assistenten Johnny Davis begrüßte. „Er ist gelassener und ruhiger“, sagte McGrady, der sich vom neuen Mann erhoffte, „ dass wir auf dem Feld wieder wie Profis aussehen und nicht wie Hühner, denen man den Kopf abgeschlagen hat.“

Am Montag war das der Fall – neben dem schnelleren, angriffslustigeren Basketball, den Davis spielen lässt, ein gewichtiger Grund für die Fans, künftig wieder etwas freudvoller in die Arena der Orlando Magic zu strömen, in der zuletzt sogar das Maskottchen versagt hatte. Mickymaus war komplett abgetaucht. MATTI LIESKE