Rot-grüne China-Politik

betr.: „Atomruine ab nach China“, „Atomexport: Grüne lassen Schröder strahlen“, „Fischer entsorgt Hanau und sein Gewissen“, „China-Wochen bei Rot-Grün: Alles muss raus!“, taz vom 3., 4., 5., 6. 12. 03

Amüsant zu lesen, der grüne Abgeordnete Winfried Hermann appellierte an Außenminister Fischer, sich gegen einen Verkauf stark zu machen. Dabei hatte Fischer seinerzeit als hessischer Umweltminister sicher keinerlei Skrupel für eine Genehmigung gehabt – allein was hätte sie ihm gebracht? Als kämpferischer Neinsager konnte er sich profilieren und gleichzeitig den Karriereweg auf dem Pfad der Leichtgläubigen ebnen. Für alle, die’s noch immer nicht wahrhaben wollen: Erst kommt Fischer, dann die Moral. Wetten, die Anlage wird verkauft? STEFAN SCHULER, Erlangen

Weit über den China-Deal hinaus wirkt Deutschland am Gespenst der Plutoniumwirtschaft mit. Seit Schließung der Anlage in Hanau beziehen die deutschen AKWs plutoniumhaltigen Brennstoff aus der MOX-Fabrik Melox im Rhonetal. Tartuffe lässt grüßen: Was in Hessen zu Recht für untragbar gilt, mutet man nun der südfranzösischen Region um Avignon zu. Obwohl die AKWs auch mit angereichertem Natururan betrieben werden können. Die MOX-Lieferungen aus Frankreich sollen auch fortgesetzt werden, wenn ab Juli 2005 deutsche AKWs ihren hochgefährlichen Brennschrott nicht mehr in die Wiederaufarbeitung in die Normandie schicken dürfen. Mehr noch: Ein geplanter Ausbau der Plutoniumfabrik in Frankreich wird unter anderem mit dem Bedarf an MOX-Elementen in deutschen AKWs begründet.

Die Debatte um die Hanauer Fabrik springt zu kurz. Natürlich: Die MOX-Schmiede darf keinesfalls nach China geliefert werden. Aber ein aus der Atomkraft aussteigendes Land sollte erst recht nicht der Plutoniumwirtschaft im Nachbarland zu neuem Leben verhelfen. Nicht nur „Gorleben“, auch „Hanau“ ist überall.

HARTWIG BERGER, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Energie der Grünen

Leider ist Joschkas Atomweste auch schon bekleckert. Denn es sieht so aus, als ob die Bundesregierung unter Zustimmung von Fischer eine Hermes-Garantie für das AKW Fin-5 in Finnland vergibt. Diese Exportgarantien sind zwar eigentlich für Geschäfte mit Entwicklungs- und Schwellenländern gedacht, aber wenn Siemens ruft, kuscht auch Fischer. Und ich möchte wetten, dass die 50 Millionen für Hanau auch über Hermes abgesichert werden.

KNUD VÖCKING, Warendorf

Schröder (SPD) und Pierer (Siemens) lügen, wenn sie uns weismachen wollen, durch die Produktion der plutoniumhaltigen MOX-Brennelemente würde das supergefährliche Plutonium entsorgt. Und: Wie man Dynamit sowohl im Steinbruch als auch in Bomben einsetzen kann, kann die MOX-Technik auch zum Bau von Massenvernichtungswaffen genutzt werden. Da der chinesische Staat übelst z. B. in Tibet, in Xinjiang und gegen Taiwan die Menschenrechte verletzt, sind diejenigen, die diesem Regime diese Plutoniumtechnik liefern, auch nicht besser als die, die Saddam Hussein Anlagen für die Giftgasproduktion verkauft haben. Falls Außenminister Fischer dem Handel zustimmt, muss der Wahlslogan der Grünen demnächst heißen: Außen-Minister und innen Verbrecher.

RAIMUND KAMM, Augsburg

Wenn die Mit-Regierungspartei meint, „pragmatische Partei-Räson“ zum SPD-Kanzler walten lassen zu müssen; wenn sie uns jetzt einen „bitteren Joschka“ präsentiert; wenn die Grünen die Auffassung vertreten, den Chinesen könne man das andrehen, wogegen man in unserem Land ökologisches Verantwortungs-Herzblut vergossen hat, dann rate ich: Der Letzte macht das Licht aus – Adieu Grüne! […]

NIKOLAUS DOMINIK, München

Der gesunde Menschenverstand sagt mir: Für diesen Verkauf darf und kann es keine Zustimmung geben. Endlagerungen und Wiederaufbereitungen sind ungelöst. Tschernobyl ist nicht vergessen. […]

SABINE MESTER, Berlin

betr.: „Rot-Grün fehlen die Frühwarnsysteme“, taz vom 6. 12. 03

Das Thema legt frei, worauf unsere Demokratie gründen sollte: auf Transparenz, Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Legitimät, sagt das Bundesverfassungsgericht. Rot-Grün gebricht es derzeit an allem. Einem Kanzler (der Nachhaltigkeit) Scheer würde dies nicht unterlaufen: Er sagt, was er denkt, tut, was er sagt, und ist, was er tut. Das macht seine Glaubwürdigkeit und seinen Erfolg aus. Mehr davon!

MANFRED K. VEITS, Regensburg

betr.: „Dankbarkeit ist unnötig“, taz vom 4. 12. 03

Warum müssen die Festlandchinesen der Unabhängigkeit Taiwans zustimmen? […] De facto sind die VR China und Taiwan seit über 50 Jahren getrennt und haben in dieser Zeit eine unterschiedliche Entwicklung genommen. Das sollte eigentlich schon Grund genug sein, zumal wenn die taiwanesische Bevölkerung wenig Lust verspürt, unter der Herrschaft der Chinesischen KP zu leben. Außerdem ist unter den derzeitigen politischen Bedingungen wohl kaum vorstellbar, dass in der VR eine freie Willensbildung zu diesem Thema möglich ist, also was soll der Ruf nach einer Volksabstimmung? Das Resultat ist ungefähr so leicht vorherzusagen wie das von Saddam Husseins letzter Wiederwahl.

Ein echter Skandal, der in Ihrem Kommentar leider nur angedeutet wird, ist aber Schröders moralischer Relativismus, der in seinem Deutschland-China-Vergleich zum Ausdruck kommt. Dass im Falle Deutschlands der diktatorische Staat Teil eines demokratischen Systems wurde, während es in China genau umgekehrt wäre, scheint nicht so wichtig zu sein. Was mit „antikommunistischen Elementen“ nach einer Vereinigung unter den heutigen Bedingungen geschehen würde, kann sich jeder ausrechnen, der einmal einen Bericht von amnesty international über China gelesen hat.

Und dann sind da ja noch Pläne der Bundesregierung für Atom- und Rüstungsexporte. JONAS SCHADE, Bochum

Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von LeserInnenbriefen vor. Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der taz wieder.