SIEMENS’ VERZICHT AUF EXPORTBÜRGSCHAFTEN REICHT NICHT
: Die wurschtige Atompolitik der SPD

Die Bundesregierung will die Hanauer MOX-Fabrik nach China verkaufen. Die Bundesregierung wollte zudem eine Hermes-Bürgschaft für Teile eines finnischen AKW gewähren. Das ist nun hinfällig, weil Siemens keinen Antrag stellt – wohl um negative Schlagzeilen zu vermeiden. Damit ist ein rot-grüner Konflikt entschärft. Grund zur Beruhigung gibt es nicht: Der Deal mit der Plutoniumfabrik steht noch immer an. Und erstaunlich bleibt die Arroganz, mit der die SPD-Mächtigen alle Kritik wegwischten, als wäre sie eine Art Überspanntheit.

Die SPD will seit langem aus der Atomenergie aussteigen, weil sie meint, dass diese Technologie nicht beherrschbar ist. Doch nun sollten wir es laut Generalsekretär Scholz völlig normal finden, dass Rot-Grün in Finnland den ersten Neubau eines AKWs in Europa seit Jahren subventionieren wollte. Die SPD sollte offenbar ihr Programm auf den Müll werfen und fortan ihren politischen Erfolg in verkauften Turbinen bemessen. Und was will Schröder? Er riskiert ohne Not einen Koalitionskrach. Wofür? Will er den Ausstieg aus dem Ausstieg? Das ist unwahrscheinlich, Schröder will keinen Koalitionswechsel. Ihn treibt hemdsärmeliger Ökonomismus. Er will die politischen Ziele von Rot-Grün nicht verändern – sie sind ihm egal.

Der Widerstand in der SPD hält sich in Grenzen. Die Genossen, die schon die Agenda 2010 durchgewunken haben, sind offenbar nur noch bedingt empörungsbereit. Auch die Grünen haben dazu überraschend lange vornehm die Stirn gerunzelt. Jetzt haben sie begriffen, welche Gefahr da lauert. Schröder & Scholz sägen an ihren Wurzeln, nicht aus Kalkül, sondern aus Wurschtigkeit, nicht zielstrebig, sondern stolpernd. Doch es ist ein Angriff auf das Herz der Grünen – oder nüchterner: auf ihr ideologisches Kerngeschäft.

Mit dem Verzicht von Siemens zeichnet sich ein rot-grüner Deal ab: Schröder bekommt den Export der MOX-Fabrik, die Grünen dürfen dafür behaupten, dass sie letztlich die Hermes-Bürgschaft verhindert haben. Doch das reicht nicht, nicht um ihre Glaubwürdigkeit zu retten. Wenn sie jetzt nicht hart bleiben – wann dann? STEFAN REINECKE