„Rübenkrieg“ zwischen Bauern und Europa

Die Zuckerrübenbauern in Nordrhein-Westfalen fürchten wegen der geplanten EU-Marktreform um ihre Existenz. Mit landesweiten Protesten machten sie auf ihre Situation aufmerksam. Rot-Grün: Neue Absatzmärkte für Rüben schaffen

DÜSSELDORF taz ■ Im Konflikt um die europäische Zuckermarktordnung verschärfen die nordrhein-westfälischen Landwirte ihre Proteste. Mit Mahnfeuern und Kundgebungen versuchten sie gestern, den Druck auf Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) zu erhöhen, sich auf EU-Ebene stärker für die Interessen der heimischen Zuckerproduzenten einzusetzen. Die zuständigen Ausschüsse des EU-Parlaments verhandeln am heutigen Dienstag über die Reformen.

Man wolle mit den Aktionen ein Zeichen setzen gegen die von der EU-Kommission vorgeschlagene Reform der seit den 60er Jahren bestehenden Zuckermarktordnung, erklärt Stefan Sallen vom Rheinischen Landwirtschaftsverband. Die Ordnung garantiert den europäischen Bauern innerhalb einer festgelegten Menge einen Garantiepreis von 632 Euro pro produzierter Tonne Zucker– dreimal so viel wie auf dem Weltmarkt. Dieses System, das Zuckerimporte in die EU stark begrenzt und damit vor allem die Zucker exportierenden Entwicklungsländer benachteiligt, hat jedoch die Welthandelsorganisation (WTO) auf den Plan gerufen. Sie kritisiert die Handelshemmnisse und fordert einen Abbau der EU-Subventionen. Schon vor Wochen hatte Landwirtschaftsministerin Höhn deshalb in der taz erklärt, dass die europäische Zuckermarktordnung reformiert werden müsse: „Daran führt kein Weg vorbei.“

Das räumen auch die Bauernvertreter ein – wenn auch unwillig. Man wisse, dass eine Reform der Ordnung unumgänglich sei, sagte Sallen. „Doch die vorgeschlagene Preissenkung geht uns viel zu weit, zumal die EU ja auch die Produktionsmenge kürzen will.“ Die Bauern fordern stattdessen, dass die Preise stabil bleiben, wenn die Mengen, wie von der EU geplant, um 16% gekürzt werden sollen. „Außerdem muss verhindert werden, dass die Änderung schon im nächsten Jahr in Kraft tritt“, so Sallen.

Unterstützung für einen Teil ihrer Forderungen erhalten die Bauern vom Landwirtschaftsministerium und von der rot-grünen Koalition in Düsseldorf. In einem Entschließungsantrag zur Zuckermarktordnung spricht sich Rot-Grün ausdrücklich dafür aus, „dass der Zuckersektor in NRW nachhaltig gesichert bleibt“. Von der EU fordert die Koalition deshalb, dass den Bauern angemessene Übergangsfristen eingeräumt werden, ein Inkrafttreten der Reform schon im nächsten Jahr lehnen sie ab.

Zudem plädiert Rot-Grün dafür, dass die Preise für die europäischen Bauern nur auf das von der WTO geforderte Mindestmaß reduziert werden sollen. Doch mit ihrem klaren Bekenntnis zur Notwendigkeit der Reform haben sich SPD und Grüne gleichzeitig deutlich von der CDU distanziert, die die Entwürfe der EU-Kommission in einem eigenen Antrag als zu radikal bezeichnete und forderte, „die vorgeschlagenen drastischen Preissenkungen“ zu verhindern.

Auch Eckhard Uhlenberg, agrarpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, betont die „besondere standortpolitische Bedeutung“ der Zuckerrübe in NRW. Der radikale Umbau der Zuckermarktordnung müsse verhindert und zeitlich gestreckt werden. „Sonst führt das zu erheblichen Brüchen im ländlichen Raum“, so Uhlenberg.

Beim Landwirtschaftsverband hat man die Position von Rot-Grün dennoch mit Freude zur Kenntnis genommen. „Die haben viele unserer Forderungen aufgegriffen“, sagte Sallen. Auch die Pläne der rot-grünen Regierung, in der Energiegewinnung alternative Absatzmärkte für die heimischen Zuckerrübenproduzenten zu erschließen, beurteilen die Landwirtschaftsvertreter positiv. Sallen warnte zwar vor zu großen Optimismus, doch „angesichts der steigenden Rohölpreise haben nachwachsende Brennstoffe wie Bioethanol sicher eine Zukunft“. Uhlenberg ist skeptischer: „Wenn das die Zukunft ist, warum gibt es dann noch keine Bioethanolanlage in NRW?“ ULLA JASPER