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: Mitten in der Frischzellenkur

Turn-Weltcupsieger Fabian Hambüchen lässt den Verband optimistischer in die Zukunft blicken, aber Sorgen bleiben

„Politik wird am Rande der Veranstaltungen gemacht.“ Der Präsident des Deutschen Turner-Bundes (DTB), Rainer Brechtken, nahm seine Aussage wörtlich. Er stand still am Rande des Pressezentrums in der „Großen Kanzel“, hatte zugehört, wie der neue Jungstar Fabian Hambüchen in der Psychologie und in der „harten Arbeit“ die Gründe für den Doppelsieg am Boden und Reck sah. Erst nach der Abschlusspressekonferenz des 22. DTB-Pokals in Stuttgart ergriff Brechtken das Wort. Er sei sehr zufrieden mit den Leistungen der Turner, den Zuschauerzahlen und der Medienwahrnehmung. Dann wurde seine Stimme lauter, und die Gestik seiner Hände unterstrich den Ernst seiner Worte: „Es fehlt ein klares System für den Sport. Der Wildwuchs im Wettbewerb ist nicht förderlich, wir haben nur eine Chance, wenn es im Weltcup sechs bis acht feste Termine gibt.“

Obwohl der 17-jährige Fabian Hambüchen durch seine Reckübung und später am Boden seine ersten Weltcup-Siege schaffte, Matthias Fahrig, 18, im Sprung Zweiter wurde, hielt sich die Euphorie der Funktionäre in Grenzen. Der DTB befindet sich seit Olympia in Athen im Umbruch. In den vergangenen Jahren zur Erfolglosigkeit verdammt, erfuhr er durch Hambüchens siebten Rang im olympischen Reckfinale eine Frischzellenkur.

Diese war in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle allgegenwärtig. DTB-Präsident Rainer Brechtken und der Geschäftsführer des Schwäbischen Turnerbundes, Robert Bauer, eilten zu Symposien und Presseterminen, während auf der Turnfläche Matthias Fahrig sich über den Sprungtisch katapultierte und Fabian Hambüchen seine Geräte und das Publikum beherrschte. Nach gelungener Übung rissen sie die Arme zur Jubelpose hoch, und Fotografen und Reporter drängten sich in die stickige „Große Kanzel“, die nur im Attribut groß ist, besonders wenn der „Heilsbringer des deutschen Turnens“ kam.

Dabei verkündeten die Aussagen von Fabian Hambüchen im Wesentlichen nur Bekanntes. Er fühle sich trotz des Medienrummels nicht als Star, im Vater- Sohn-Gespann ginge es öfters mal lauter zur Sache, und das Reck bleibe sein Spezialgerät, jedoch wolle er den Mehrkampf im Auge behalten. Um die Kraftdefizite zu beheben, wurde das alte Krafttrainingsgerät des Schwimmers Michael Groß (2,05 m) von Frankfurt nach Wetzlar, an Hambüchens (1,58 m) Heimatort geschafft. Bei seinem Reck-Sieg in Stuttgart turnte er zunächst eine 9.787, hatte jedoch im Winners Final, als er beim ersten Flugelement daneben griff, Glück, dass sein Widerpart, der Kanadier Jeltkov, ebenfalls seine Übung nicht zu Ende turnte. Wenige Minuten später legte er zwei solide Bodenübungen hin – und gewann auch diesen Wettbewerb.

Der DTB-Präsident weiß, dass der Turn-Weltcup in Stuttgart ebenso wie das deutsche Turnen Erfolge nötig haben, denn „dieses Jahr war es sehr schwierig, den DTB-Pokal wirtschaftlich zu stemmen“. In drei Jahren steht die eigentliche Herausforderung an, die Turn-Weltmeisterschaft am gleichen Ort. Vielleicht ist dies der Grund, warum sich der Jubel bei den Verantwortlichen in Grenzen hält, denn in der staatlichen Mittelzuteilung wurde der DTB auf die niedrigste Stufe degradiert. PATRICK ABELE