Angst essen Sozis auf

Das Forschungsministerium versteht die Welt nicht mehr: Im Internet machen alle mit! Und werden zu Hackern!

Das schöne Wort „Technikfolgenabschätzung“ stammt aus Westdeutschland. Anderswo denken Ingenieure und Wissenschaftler über Techniken nach, weil sie irgendetwas Nützliches erfinden wollen. Niemand bezweifelt, dass jede denkbare Technik auch unerwünschte Folgen haben kann. Die Wissenschaft der Technikfolgenabschätzung aber ist eine sozialdemokratische Erfindung und entstanden, weil die Leute auf der Straße immer lauter gegen die Atomkraftwerke protestiert haben. Das war vernünftig, weil Atomkraft eine lebensgefährlich primitive Technik ist. Aber es störte die Partei, die es sich mit den Konzernen nicht verderben wollte. Die Theorie der Technikfolgenabschätzung sollte jede künftige sozialdemokratische Regierung davor bewahren, dass ihre eigenen Wähler aus solchen Gründen auf die Straße gehen.

Zu den Vordenkern dieser Art von Wissenschaft gehört Wolf-Michael Catenhusen, Sozialdemokrat aus Nordrhein-Westfalen, einst Gymnasiallehrer für Latein und Geschichte, und heute Staatsekretär im Forschungsministerium. Letzte Woche nun hielt er in Berlin eine Grundsatzrede vor einem Kongress, den sein Ministerium zusammen mit der Helmholtz-Gesellschaft Karlsruhe und den Universitäten von Stuttgart und Bielefeld ausgerichtet hat. Das Internet und der Computer haben seine Wissenschaft in eine Krise gestürzt. Bei den Atomkraftwerken und der Gentechnik ging es darum, furchtsame Menschen vom Demonstrieren abzuhalten. Aber vor dem Computer und dem Internet fürchtet sich fast niemand.

Das liegt zu einem guten Teil an der intelligenten Technik, die auch Laien immer besser verstehen. Wer versteht dagegen einen Druckwasserreaktor? Eine „komplexe und unwägbare Entwicklung sei das“, sagt Catenhusen, die Abschätzung ihrer Folgen scheitert vor allem an der „Doppelrolle der Nutzer, die auf leichte Weise selbst Produzenten werden und allein durch ihre große Zahl den meisten Marktgrößen im IT-Sektor empfindlich zusetzen können“. Um das Problem zu lösen, hat Catenhusen ein Netzwerk für Technikfolgenabschätzung im Internet gegründet. Es hat noch keinen Inhalt, aber die Homepage ist unter www.itas.fzk.de/netzwerkta/ zu finden. NIKLAUS HABLÜTZEL