Die Wahlen in Rumänien bedeuten das Ende der bisherigen Oligarchie
: Abschied von den Gutsverwaltern

Es war ein ermüdender und langweiliger Wahlkampf, der in den letzten Wochen in Rumänien geführt wurde. Dafür ist das Wahlergebnis das wohl spannendste aller bisherigen fünf Wahlen seit dem Sturz des Diktators Ceaușescu im Dezember 1989: Bei den Parlamentswahlen liegen die regierenden Sozialdemokraten nur knapp vor dem liberaldemokratischen Oppositionsbündnis „Recht und Wahrheit“. Zwischen den Präsidentschaftskandidaten dieser beiden Wahlblöcke wird es in zwei Wochen zu einer Stichwahl kommen, deren Ausgang noch offen ist. Rumänien steht möglicherweise vor der ersten Kohabitation seiner Geschichte.

Das Wahlergebnis zeigt vor allem, dass im Land zwei parallele Welten existieren. Da sind auf der einen Seite die regierenden Sozialdemokraten: Ceaușescus ehemalige Polit- und Wirtschaftskader bilden heute eine zutiefst korrupte Oligarchie, die große Teile des Landes als ihren Besitz ansieht. Ihre Wähler leben zumeist im verarmten, ländlichen Osten und Süden des Landes, aus dem sich jährlich Hunderttausende in die illegale Saisonarbeit ins Ausland flüchten. Fünfzehn Jahre nach dem Sturz Ceaușescus setzen sie noch immer auf die starken Herren, die bei ihren Festmahlen durchaus etwas für die Dienerschaft abfallen lassen.

Auf der anderen Seite steht das liberaldemokratische Oppositionsbündnis „Recht und Wahrheit“, das zumindest in Nuancen weniger antidemokratisch und korrupt agiert. Dessen Wähler sind vor allem in den Städten und dem nordwestlichen Landesteil Siebenbürgen zu finden, dem Zugpferd der maroden rumänischen Wirtschaft.

Sollte eine Mehrheit der Rumänen bei der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen am 12. Dezember für den Kandidaten der liberaldemokratischen Opposition stimmen, dann könnte das großen Einfluss auf Rumäniens weitere Entwicklung haben. Die politische Elite wäre zu besseren Umgangsformen und zu mehr Kooperation gezwungen. Vor allem aber wäre es ein Signal an den konservativen Teil der rumänischen Gesellschaft: dass Politik mehr ist als nur der periodische Wechsel von Gutsverwaltern. KENO VERSECK