Chiluba, vom Held zum Präzedenzfall

Als erstes Land Afrikas bringt Sambia einen Expräsidenten wegen Korruption vor Gericht. Diebstahl in 168 Fällen

JOHANNESBURG taz ■ In einem der ärmsten Länder Afrikas hat gestern ein historischer Gerichtsprozess begonnen. Sambias früherer Präsident Frederick Chiluba ist wegen Korruption angeklagt. Ihm wird in 168 Fällen vorgeworfen, während seiner zehnjährigen Amtszeit 1991–2001 mehr als 40 Millionen US-Dollar veruntreut zu haben. Die Staatsanwaltschaft geht sogar davon aus, dass zusätzliche Beträge bis zu 300 Millionen US-Dollar auf private Konten im Ausland geflossen sind.

Chiluba hatte 1991 bei Sambias ersten freien Mehrparteienwahlen Kenneth Kaundas Einparteienherrschaft nach 27 Jahren abgelöst. Das war das erste Mal, dass im nachkolonialen Afrika ein amtierender Präsident bei einer Wahl kandidierte, sie verlor und dann die Macht friedlich an seinen Nachfolger übergab. Chiluba war daher als Held gefeiert worden. Doch dann nutzte er die Macht, um sich zu bereichern, und das Land verarmte noch mehr als bereits unter Kaunda. 2001 trat Chiluba, obwohl er es ursprünglich vorhatte, nicht mehr zu einer dritten Amtszeit an, weil Proteste und internationaler Druck ihn daran hinderten, die Verfassung entsprechend zu ändern. Seinem von ihm auserwählten Nachfolger Levy Mwanawasa wurde bei der Wahl Ende Dezember 2001 vorgeworfen, durch Manipulation gewonnen zu haben. Einmal im Amt, richtete sich Mwanawasa gegen seinen Vorgänger mit einer Antikorruptionskampagne, die seine eigene Glaubwürdigkeit stärkte und die Debatte über korrekte Neuwahlen schwächte.

Chiluba hat in den zwei Jahren seit Ende seiner Präsidentschaft versucht, mit Hilfe eines kostspieligen Anwälteteams diesem Verfahren zu entkommen, und behauptet nicht nur seine Unschuld, sondern spricht von einer politischen Hexenjagd gegen ihn. Seine Verteidiger argumentieren, dass die Verfassung ihn als früheren Präsidenten des Landes von jeglicher Strafverfolgung freispreche. Im Juli 2002 war auf Mwanawanas Betreiben Chilubas Immunität im Parlament aufgehoben worden.

Der 61-jährige Chiluba ist zusammen mit seinem früheren Geheimdienstchef Xavier Chungu und ehemaligen Ministern angeklagt. Ein zweiter Gerichtsprozess gegen ihn und Chungu beginnt am 16. Dezember. Der Vorwurf dabei lautet: Diebstahl von rund vier Millionen US-Dollar. Das Netzwerk der Plünderei zieht sich bis nach Belgien, Großbritannien, in die USA, nach Südafrika und in die Karibik.

„Dies ist ein Testfall für Demokratie und hoffentlich ein Auftakt für eine Serie von anderen Fällen in anderen Ländern“, sagt Dr. Daryl Balia, Vorsitzender von Transparency International in Johannesburg. „Korruption ist endemisch auf dem afrikanischen Kontinent und wir sind immer beschuldigt worden, das Problem nicht anzugehen.“ Notwendig sei allerdings die Zusammenarbeit mit ausländischen Banken und Institutionen, um das verschwundene Geld – hauptsächlich ausländische Entwicklungshilfe – zurückzuleiten und für das Wohl der Bevölkerung einzusetzen. 80 Prozent der Einwohner Sambias leben mit weniger als einem Dollar pro Tag. MARTINA SCHWIKOWSKI