Die Wogen geglättet

Keine Bürgschaft für AKW in Finnland: Grüne feiern „Erfolg“

BERLIN taz ■ Franz Müntefering ließ es sich nicht nehmen, die frohe Botschaft für die Grünen höchstpersönlich zu verkünden. Die Firma Siemens habe auf staatliche Unterstützung für ihr Atomgeschäft in Finnland verzichtet, teilte der SPD-Fraktionschef gestern Nachmittag mit. Damit habe sich die Entscheidung über die Erteilung einer Exportbürgschaft erübrigt, der Streit darum sei „obsolet“. Die Führung der grünen Bundestagsfraktion vernahm’s mit Freude und änderte sofort das Beschlusspapier, das sie am Abend beschließen lassen wollten. In der ersten Fassung stand darin noch eine Forderung zum Thema Finnland. Man lehne eine Bürgschaft für den Finnland-Deal ab, schrieben die Grünen, und das erwarte man auch von der Regierung. In der letzten Version des Papiers wurde aus dem Fall Finnland flugs eine grüne Erfolgsgeschichte.

„Dass Siemens diesen Antrag jetzt auf Grund unserer Einwände und der öffentlichen Proteste zurückzieht, ist ein Erfolg“, freuen sich die Grünen. Ganz so doll freuen wollen sie sich aber auch wieder nicht. Der Verzicht auf die Bürgschaft für das Geschäft in Finnland sei nur „ein erster Erfolg“ im Streit um die Atomexporte, stellte die energiepolitische Sprecherin Michaele Hustedt klar. Auch Außenminister Joschka Fischer gab zu Protokoll, mit der Entwicklung der letzten Tage insgesamt sei er „selbstverständlich nicht zufrieden“.

Kein Wunder. Das Problem Hanau bleibt ja bestehen. Von seiner Unterstützung für den Verkauf der hessischen Plutoniumfabrik an China will der Kanzler nicht abrücken. Und der kleine Koalitionspartner? Bemüht sich, Standfestigkeit zu zeigen. „Das ist eine Glaubwürdigkeitsfrage für die Grünen“, sagt die Thüringer Landeschefin Astrid Rothe, die im Juni 2004 als Spitzenkandidatin ihrer Partei Wahlkampf machen muss. Auch in Brandenburg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen, wo demnächst Wahlen anstehen, verfolgt man das Geschehen in Berlin mit Sorge.

Wie tief der Konflikt geht und wie groß das gegenseitige Misstrauen in der Koalition inzwischen ist, zeigte sich gestern an dem Gezerre um das Papier, das die Grünen-Fraktion beschließen wollte. Bis zuletzt hätten die Sozialdemokraten versucht, den Koalitionspartner von klaren Festlegungen abzubringen, die dem Hanau-Geschäft entgegenstünden, schimpften mehrere Grüne. Natürlich wurde bestritten, dass man auf die Forderungen der SPD eingegangen sei. Ein paar Glättungen gab es trotzdem. Wo es zunächst geheißen hatte, das Hanau-Geschäft „stünde in krassem Widerspruch zur Atomausstiegspolitik der rot-grünen Regierung“, stand am Abend plötzlich, das Geschäft stehe im krassen Widerspruch „zu unserer Vorstellung von einer konsequenten Atomausstiegspolitik“. Wie es weitergeht, kann man sich vorstellen. LUKAS WALLRAFF