„Jetzt ist finito“

Ole von Beust beendet die Koalition mit der Schill-Partei. Neuwahlen sind Ende Februar geplant

AUS HAMBURG PETER AHRENS
UND SVEN-MICHAEL VEIT

Selbst in den ernstesten Momenten hat Ole von Beust noch einen Scherz parat. „So viele Fotografen“, lächelte der CDU-Bürgermeister gestern um 14.07 Uhr im überfüllten Pressesaal des Hamburger Rathauses, „gibt es wohl nur bei Beerdigungen.“ Um anschließend die Rechtskoalition in Hamburg zu Grabe zu tragen. Der Bürgermeister verkündete, was seit dem gestrigen Vormittag alle erwartet hatten: „Ich habe die Fraktionen von CDU und FDP gebeten, den Weg für Neuwahlen frei zu machen.“ Auf einer aus formellen Gründen erforderlichen Sondersitzung der Hamburgischen Bürgerschaft – vermutlich am 30. Dezember – soll die Selbstauflösung beschlossen werden, Termin für Neuwahlen wäre dann wahrscheinlich der 29. Februar 2004.

Damit zieht von Beust die Konsequenzen aus den Tumulten, mit denen Ronald Schill und seine Partei Rechtsstaatlicher Offensive (PRO) seit zehn Tagen die Politikszene nicht nur in der Hansestadt erschüttern. Letzter Auslöser waren die skurrilen Szenen, die sich am Montagabend in der Schill-Geschäftsstelle in der Hamburger Gotenstraße abgespielt hatten. Auf Journalistenfragen hatte Schill schulterzuckend geantwortet: „Ich würde für diese Koalition nicht meine Hand ins Feuer legen.“

Da sei ihm klar gewesen, sagt Ole von Beust, „das ist das Ende“, politisch und moralisch. Gestern früh „um 4.30 Uhr, denn um 4 Uhr bin ich aufgewacht“, habe er sich entschieden. Von einem „in den letzten Tagen sich steigernden unwürdigen Kasperletheater“ spricht er, von einem Schauspiel mit „zum Teil psychopathischen Zügen“, von „politischen Verwerfungen, die nicht mehr nur innerparteilich sind“. Der Schill-Auftritt habe „die Grenzen des Anstands überschritten“, und so was duldet kein wahrer Hanseat: „Weder persönliche noch politische Erpressungen werden von mir hingenommen“, stellt der Noch-Regierungschef klar, „damals im August nicht und jetzt auch nicht. Jetzt ist finito.“ Parteichefin Angela Merkel wurde durch von Beust noch am Morgen über seine Entscheidung verständigt. Nach Aussage des Bürgermeisters habe „völlige Übereinstimmung“ zwischen beiden geherrscht, dass „dies der einzige gangbare Weg ist“.

Am Vormittag auf der turnusmäßigen Senatssitzung wurde dann klar Schiff gemacht. „Ultimativ“ forderten Beust und die CDU-Senatoren die drei Schill-Senatsmitglieder Mario Mettbach, Dirk Nockemann und Peter Rehaag auf, „einen Schlussstrich“ zu ziehen. Die drei zogen sich zu Beratungen mit Fraktionschef Norbert Frühauf zurück. Während sie Schills Rauswurf aus der Fraktion beschlossen, besprachen die im Sitzungssaal zurückgebliebenen Senatsmitglieder von Union und FDP die Lage. Und kamen zum Schluss, dass ein Schrecken ohne Ende nicht zu ertragen sei.

Noch mindestens eine Woche lang wäre ansonsten Schill Zeit geblieben, den letzten Akt der Regierung zu inszenieren. Eine Mehrheit für die Koalition im Landesparlament zum Abschluss der Haushaltsberatungen am nächsten Mittwoch war nicht mehr gesichert, eine solche „verlässliche“ Basis aber hatte von Beust in den vergangenen Tagen stets eingefordert. Dagegen hatte Schill, dessen Namen von Beust während der Pressekonferenz nicht einmal in den Mund nahm, bereits gedroht, den Etat nicht zu verabschieden, wenn weiterhin gegen ihn vorgegangen werde.

Schill hätte sich bis dahin einen unvergesslichen Auftritt in der Bürgerschaft gegönnt und schließlich im Bunde mit ein paar Gefolgsleuten den Daumen gesenkt. Eine solche Abstimmungsniederlage aber hätte ohnehin das Ende der Rechtskoalition in Hamburg bedeutet – kein Wunder, dass ein Politprofi wie von Beust Wert darauf legt, die Geschehnisse wieder selbst zu bestimmen, die ihm seit Schills Wiederauferstehung auf dem Landesparteitag am 30. November mehr und mehr aus der Hand geglitten waren.

Dass Mettbach Schill jetzt auch aus der Partei rauswerfen will, ändert am Triumph des entlassenen Innensenators nichts mehr. Wenn Schill tatsächlich aus der Partei geworfen werden sollte, kann man sicher sein, dass er dann mit einer eigenen Partei plant. Dass es ihm gelingt, sie noch rechtzeitig vor der Wahl zu organisieren, ist zwar unwahrscheinlich, aber möglich.

Falls Schill dagegen vor dem Bundesschiedsgericht der Partei obsiegen sollte, hat die Stunde für Mettbach und seine Getreuen geschlagen. So oder so: Die Partei ist am Ende, und Bürgermeister Ole von Beust hat einen potenziellen Koalitionspartner weniger. SPD und Grüne zeigten gestern jedenfalls schon wieder ein Gewinnerlächeln. Die Chancen für eine Neuauflage von Rot-Grün stehen nicht schlecht.

Angesprochen, ob er fürchte, dass Schill auch in dem kommenden Wahlkampf wieder mitmische, sagt von Beust: „Es ist mir total wurscht, was dieser Mensch macht.“ Rein menschlich mag das stimmen, politisch ist es das Pfeifen im Wald.