Moscheen sollen Ausbildung predigen

Die Arbeitsagentur in Hamm hat eine neue Aufgabe für Moschee-Vorbeter: Sie sollen den Jugendlichen nahe bringen, dass eine Ausbildung wichtiger ist, als Geld zu verdienen. Der Glaube an den Einfluss der Imame ist riesig

RUHR taz ■ Imame sollen nicht nur auf Deutsch beten, sondern sich jetzt auch als Berufsberater engagieren. Die Arbeitsagentur Hamm ist vor ein paar Tagen an die Moscheen im Kreis Unna und der Stadt Hamm herangetreten, mit der Bitte an die Vorbeter, bei jugendlichen Moscheegängern für eine Ausbildung zu werben. „Wenn sie ihre Gläubigen darüber aufklären, dass eine Ausbildung wichtiger als Geldverdienen ist, sind wir schon einen Schritt weiter“, sagte Stefan Goecke, Berufsberater und Ausländerbeauftragter der Agentur für Arbeit in Kamen bei dem gemeinsamen Treffen.

,,Dadurch, dass viele türkische Bewerberinnen und Bewerber nur mangelhafte Deutschkenntnisse haben, ist ihre Chance auf dem Ausbildungsmarkt gering“, klärte Goecke die Vorbeter auf. Hinzu komme, dass sich die Wünsche der Mädchen auf die Berufe Arzthelferin, Schneiderin und Kinderpflegerin beschränkten. Für die meisten männlichen Bewerber zählten nur der Beruf des Kfz-Mechatronikers und des Einzelhandelskaufmannes in einem Handygeschäft.

Nun sollen also Moscheen zu Berufsberatungsstellen werden. Ismail Kaplan, bildungspolitischer Sprecher der Alevitischen Gemeinde aus Köln findet es zwar „anerkennenswert“, dass die Arbeitsämter versuchen, mit allen Mitteln an die Jugendlichen heranzukommen. Er sehe nur ein Problem: „Die Imame haben keine Ahnung vom dualen System in Deutschland“. Denn die meisten von ihnen werden nach vier Jahren ausgetauscht. Dass die Jugendlichen keine Ausbildung anstrebten oder sich nur auf wenige Berufe beschränkten, sei ein Problem des Bildungssystems: „Die Schulen haben versagt“, so Kaplan.

Auch ein Teilnehmer des Treffens glaubt nicht, dass die Berufsberatung bei den Imamen richtig aufgehoben sind: „Das ist nicht Inhalt der Predigten“, sagt Ali Celikten, stellvertretender Vorsitzende der Islamischen Gemeinde in Hamm. Denn auch er weiß, dass der neue Imam in seiner Gemeinde das deutsche Ausbildungsssystem nicht kennt. „Es gibt ja 360 Ausbildungsberufe“, hat Celikten beim Treffen mit der Arbeitsagentur gelernt. Er selbst habe mit den Jugendlichen über die Inhalte gesprochen, mehr könne er nicht tun. „Mein Sohn entscheidet selbst, was er später werden will“, sagt er.

Ungebrochen ist dennoch die Erwartung der deutschen Akteure an die Moscheen. „Die muslimischen Geistlichen haben großen Einfluss, vor allem auf die Eltern“, ist sich Thomas Birlenberg, Teamleiter für Jugendliche bei der Berufsberatung Essen, sicher. Auch in seiner Stadt versucht die Berufsberatung über die Moscheen an die Jugendlichen heranzukommen. „Wenn die Vorbeter dazu beitragen können, die Jugendlichen für eine Ausbildung zu sensibilisieren, ist das zu begrüßen“, findet auch Norbert Wichmann, Bildungsexperte des DGB in NRW. Natürlich sei dies auch Aufgabe der Schule, gibt Wichmann zu. Doch halte er den ungewöhnlichen Weg über die Moscheen gerade in Hamm für einen Versuch wert. Denn im Einzugsbereich der dortigen Arbeitsagentur hatten Ende Oktober 1.500 Jugendliche noch keine Lehrstelle. 566 Ausbildungsplätze blieben unbesetzt.

„Es sollte jedoch kein Jugendlicher zu einer bestimmten Ausbildung überredet werden“, sagt Wichmann. Ein solches Vorgehen verstoße gegen die Freiheit der Berufswahl und sei nicht produktiv: „So sind hohe Abbrecherquoten vorprogrammiert.“ Und die eingeschränkten Berufswünsche seien kein Problem der Migrantenkinder, sagt er. „Die Fixierung auf bestimmte Berufe ist ein allgemeiner Trend bei den Jugendlichen.“

NATALIE WIESMANN