„Jeder hat seine Ethik“

Hirnforscher Andreas Kreiter über seine Experimente mit Makaken-Äffchen und warum die Bremer Parlamentarier darüber nicht zu befinden haben

Herr Kreiter, SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen hat gefordert, die von Ihnen geleiteten Experimente mit Makaken-Affen spätestens in einem Jahr zu beenden. Was halten Sie davon?

Andreas Kreiter, 41, Hirnforscher: Ich kann mich nur wundern. Herr Böhrnsen möchte sich offenbar an Stelle des Rechts setzen. Über Tierversuche entscheidet die zuständige Behörde, nach Recht und Gesetz. Das ist kein Akt politischer Beliebigkeit.

Sie forschen jetzt seit sechs Jahren hier in Bremen am Affenhirn. Was haben Sie herausgefunden?

Wir konnten etwa nachweisen, dass Hirnzellen rhythmische Pulse aussenden und dieser Rhythmus ein Mechanismus kognitiver Prozesse wie Aufmerksamkeit oder Gedächtnis ist.

Welche Rolle spielten dabei die Makaken?

Alle unsere Erkenntnisse waren nur mit Makaken möglich. Kein Mediziner hätte je die Möglichkeit gehabt, diese Untersuchungen am Menschen durchzuführen. Das würde Ihnen keine Ethikkommission erlauben.

Wem nützen Ihre Ergebnisse?

Medizinisch orientierte Arbeitsgruppen konnten zeigen, dass diese Schwingungen bei schizophrenen Menschen oder solchen, die ein hohes Risiko haben, daran zu erkranken, in charakteristischer Weise gestört sind. Jetzt will man diesen physiologischen Mechanismus genauer verstehen – um ihn gegebenenfalls beeinflussen zu können.

Ihre KollegInnen weisen das aber am Menschen nach.

Ja. Aber man kann da nur kucken, ob man indirekte Hinweise dafür findet, dass die kognitiven Prozesse beim Menschen genauso funktionieren, wie im Tier solide und zuverlässig beschrieben.

Spätestens in zwei Jahren müssen Sie für Ihre Versuche einen neuen Antrag stellen. Was sagen Sie den Parlamentariern?

Nochmal: Die Bürgerschaft entscheidet darüber nicht und sie hat auch nie darüber entschieden. Wenn Sie einen Bäckerei betreiben wollen und Sie die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllen, dann müssen Sie die Genehmigung bekommen.

Sie zweifeln also nicht daran, dass Sie sie auch bekommen?

Nein. Es gibt in jedem Tierversuchs-Antrag eine einzige Stelle, die juristisch umstritten war: Man muss ethisch begründen, warum der Versuch vertretbar ist. Jeder hat aber seine individuelle Ethik. Eine Behörde darf das also nicht dafür nutzen, einen Versuch nach Belieben zu verbieten. Das verstößt gegen die Forschungsfreiheit. Dass jetzt in einem niederrangigeren Teil des Grundgesetzes der Tierschutz verankert worden ist, ändert daran mit Sicherheit nichts.

Trotzdem werden Sie sich öffentlich rechtfertigen müssen.

Nein. Die Rechtfertigungslast liegt bei denen, die die Versuche verbieten wollen. Es ist zutiefst unethisch, biomedizinische Forschung zu behindern. Wie wollte man das Leiden zukünftiger Patienten rechtfertigen?

Was sagen Sie denn Herrn Böhrnsen?

Ich würde ihn als Erstes einmal fragen, was er sich denn vorstellt, was ich tue. In der Regel habe solche Leute davon keine Ahnung.

Böhrnsen zufolge hieß es anfangs, die Versuche seien zeitlich begrenzt. Hat da jemand was falsch verstanden?

Ich habe von Anfang an ganz glasklar gesagt: Man baut eine solch aufwändige Forschung nicht für drei Jahre auf. Wer bitte hätten denn damals sinnvollerweise vermuten können, dass man die Funktionsweisen des Gehirns innerhalb von drei Jahren endgültig aufklären würde?

Vor einem Jahr haben Sie einen Kernspintomografen bekommen, um die Zahl der Versuche zu reduzieren.

Der ist erst kürzlich vollständig in Betrieb gegangen. Im Moment laufen da Experimente mit Human-Probanden. Die ersten Affen sind bereits trainiert. Grundsätzlich aber ist das eine Ergänzungs-, keine Ersatzmethode. Man kann damit mehr wissenschaftliche Erkenntnisse bei gleicher Anzahl von Versuchstieren gewinnen. Das war auch der Anlass, weswegen der Chef der Zentralstelle für die Erfassung und Beurteilung von Ersatzmethoden für den Tierversuch damals den Kauf empfohlen hat.

Gerüchten zufolge könnte die Bremer Uni eine von zehn Eliteunis bundesweit werden. Wie wichtig ist Ihr Forschungsbereich?

Hirnforschung ist einer der Bereiche, in denen Bremen besonders gut ausgewiesen ist. Unsere Experimente sind darin von zentraler Bedeutung. Die Humboldt-Stiftung hat gerade ihren höchstdotierten Preis an eine Hirnforscherin vergeben, die jetzt nach Bremen kommen wird, um in meiner Arbeitsgruppe zu arbeiten. Wir bekommen außerdem Drittmittel von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, haben welche von der Volkswagenstiftung gehabt, insgesamt mehrere Millionen Euro.

Kann man anderswo besser forschen?

Selbstverständlich.

Haben Sie schon einmal überlegt, daraus die Konsequenzen zu ziehen?

Ich bin nicht jemand, der Sachen schnell hinschmeißt. Wir haben ’ne ganze Menge sehr guter Sachen hier aufgebaut. Ich würde das nur sehr ungern alles umsonst gewesen sein lassen.

Angenommen, die Tierschutzbehörde verweigert Ihnen tatsächlich die nächste Genehmigung?

Dann ist das ein Fall für die Justiz, ganz klar. Aber das kann ich mit kaum vorstellen. Interview: Sim