taz-adventskalender (1): fahrertür der U-bahn
: Traumberuf mit Tunnelblick

Stehen Sie auf fade Schokotäfelchen? Wir auch nicht. Die Türen des taz-Adventskalenders verbergen anderes: geheime Schätze und wilde Tiere. Sex and Crime. Letzte Dinge. Bis Weihnachten öffnen wir täglich eine Tür – auf einem Kalender namens Berlin.

Es gibt Orte, von denen träumt man so lange, bis man sie gesehen hat. Die Fahrerkabine einer U-Bahn ist so ein Ort. Der normale Fahrgast darf sie nicht betreten, weil er den Fahrer ablenken und so die Passagiere gefährden könnte. Traumhaft aber ist die Fahrerkabine ganz und gar nicht – höchstens für kleine Jungs, die Lokführer werden wollen.

Mit schätzungsweise zwei, drei Quadratmetern ist so eine Fahrerkabine erstaunlich geräumig. Man merkt gleich, dass früher – als ein Arbeitsplatz noch keine Mangelware war – die Kabine Platz für zwei Angestellte bot: den Fahrer und den Beifahrer. Der Beifahrer hatte nicht nur dem Bahnhofspersonal zuzulächeln, sondern vor der Abfahrt des Zuges den Bahnsteig zu überblicken und sein Okay zu geben.

Heute gibt es die Fahrdienstleistung aus einer Hand: im wahrsten Sinne des Wortes. Der Fahrer oder die Fahrerin überblickt mit Hilfe eines großen Spiegels oder mehrerer Monitore den Bahnsteig, löst dann per Knopfdruck die Ansage „Zurück bleiben, bitte!“ aus, schließt die Türen und fährt los. Dazu bedient der Fahrer zwei Hebel und einen Knopf: Der rechte Hebel, die Bremse, wird gelöst, und der linke Hebel wird auf die je nach Station zu erwartende Geschwindigkeit eingestellt. Mit dem Druck auf einen handtellergroßen Knopf beginnt der Zug zu beschleunigen. Theoretisch könnte der Fahrer alles mit einer Hand erledigen, praktischerweise benutzt er aber beide Hände.

Nach zwei, drei Minuten Tunnel- oder Hochbahnfahrt ist der nächste Bahnhof erreicht, und alles beginnt von vorn. „Jeder Bahnhof ist anders“, betont BVG-Fahrdiensthauptsachbearbeiter Robert Strahlendorf. Aber der Job des U-Bahn-Fahrers ist vor allem eines: eintönig. Trotzdem ist Radio hören oder Telefonieren streng verboten – aus Sicherheitsgründen. So unangemeldet, wie Strahlendorf in die Fahrerkabine kommt, kann man sich gut vorstellen, dass die BVG solche Verbote strikt durchsetzt.

Strahlendorf ist dabei noch für den aus Fahrersicht angenehmeren U-Bahn-Bereich zuständig: das so genannte Kleinprofil. Diese Züge verkehren auf der U1/15, U2 und U4 – Linien, auf denen es insgesamt relativ viel Tageslicht gibt. „Das macht die Sache lockerer“, sagt eine U-Bahn-Fahrerin. „Weniger Ermüdung.“ Sie muss es wissen: An diesem trüben Wintertag begann ihr Dienst um halb vier Uhr morgens und endete, von einigen kleinen Pausen unterbrochen, um 13.18 Uhr.

Das Pendant zum Kleinprofil ist das Großprofil. Für die Fahrgäste machen beide U-Bahn-Typen kaum einen Unterschied, aber technisch sind sie völlig verschiedene Systeme. Zwar ist die Spurbreite mit 143,5 Zentimetern gleich, aber beim Kleinprofil ist der Fahrgastraum 30 Zentimeter schmaler. Außerdem wird der Strom auf der Stromschiene abgenommen, nicht unterhalb wie beim Großprofil.

Ob Groß- oder Kleinprofil – ein ausgeklügeltes Sicherheitssystem soll in beiden Bahnen Unfälle verhindern. Sollte ein einsamer Fahrer übermüdet oder ohnmächtig vom Stuhl fallen, bleibt der Zug automatisch stehen. Dafür sorgt ein Fuß- oder Handgriff, den der Fahrer immer aktiv berühren muss. Fällt der Kontakt weg, bremst die U-Bahn.

RICHARD ROTHER

Morgen: Bunkertor Alexanderplatz