Knüppel auf Weihnachtsmarkt

Polizei jagt Demonstranten, die in die Bannmeile um den niedersächsischen Landtag eindringen wollen. SPD und Grüne kritisieren „völlig überzogenen Einsatz“, Landtagspräsident entschuldigt sich

aus Hannover Kai Schöneberg

Ein Einsatzkommando der Polizei preschte gestern in die beschauliche Ruhe zwischen Leberkäs- und Lumumba-Buden auf dem Weihnachtsmarkt in Hannover. Weil Demonstranten mit Farbbeutel und Eiern geworfen hatten, um in die nahe gelegene Bannmeile am Landtag einzudringen, holten die Beamten zwischen Rosis Almhütte und Rossbratwurstständen den Knüppel aus dem Sack. Das Resultat waren nicht nur leichte Blessuren, sondern auch herbe Kritik von SPD und Grünen, die den Einsatz von 300 Beamten bei der Demonstration gegen die Sparpolitik der Landesregierung als „völlig überzogen“ verurteilten. Der Polizeieinsatz am Landtag sei „beschämend“ und „keine Werbung für die Demokratie“ gewesen, sagte die Grüne Fraktionschefin Rebecca Harms.

Pünktlich zu dem Tag, als das Parlament den Haushalt des Jahres 2004 diskutierte, hatten ver.di und Studenten zu einer Demonstration gegen die Sparpolitik der Landesregierung aufgerufen. In den kommenden Jahren wollen CDU und FDP 7.000 Stellen im öffentlichen Dienst abbauen. Das gestern debattierte Sparpaket sieht unter anderem herbe Einschnitte bei Familien, Beamten, im Sozial- und Kulturbereich sowie an den Hochschulen vor. Die niedersächsischen Unis müssen im kommenden Jahr mit 40,7 Millionen Euro weniger auskommen. „Niedersachsen steht auf“, rief ver.di-Landeschef Wolfgang Denia voller Pathos in die Samba-tanzende Menge, „Wer kürzt, der stürzt“ und „Stratmann an/in die Leine“, stand auf Plakaten. Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU) war zwar aus Angst vor Übergriffen wütender Studierender nicht erschienen, dafür aber Finanzminister Hartmut Möllring (CDU). In ein Pfeifkonzert hinein verteidigte er das Sparkonzept der Landesregierung: „Niedersachsen müsste eigentlich aufstehen, weil wir kein Geld mehr haben“. Das Parlament war indes hermetisch abgeriegelt worden. Zwar kamen zwischen 2.000 (Polizei-Angaben) und 5.000 (ver.di-Schätzung) Protestler, aber Übergriffe gab es an diesem Tag eigentlich nur von der Polizei.

Abgeordnete wurden aufgehalten, Journalisten auch mit Presseausweis der Zugang zur Bannmeile verwehrt. Die Polizisten ließen sogar den VW Phaeton von Landtagspräsident Jürgen Gansäuer (CDU) erst passieren, als sie sich davon überzeugt hatten, dass Gansäuer zur Durchfahrt berechtigt war. Der Grund: Laut Polizei hatten sich „100 bis 150 Gewaltbereite“ aus Göttingen in Hannover angekündigt. Und: In der Nacht hatten schon acht Kanuten von der Fachhochschule Hildesheim versucht, über die Leine von hinten in das Parlament einzudringen.

In einer eilig einberufenen Pressekonferenz verteidigte Gansäuer, der als Hausherr die Polizei um Schutz des Landtages gebeten hatte, die Präsenz der Uniformierten: „Was wäre ich für ein Landtagspräsident, wenn ich nicht alles täte, um das Parlament frei entscheiden zu lassen“. Er entschuldige sich dafür, wenn es „an dieser oder jener Stelle“ nicht zu „angemessenem Verhalten“ der Beamten gekommen sei. Die Polizei revidierte indes ihre Einschätzung der Lage. Eigentlich hätte es keine „Gewaltbereiten“ unter den Demonstranten gegeben.