Kulturförderung wird Steinbruch

Kriegt die Szene aus dem Hauptstadtkulturfonds bald nur noch Almosen, weil der Bund in Mittel und Strukturen eingreift? Ja, sagen die Kunstproduzenten und blicken sauer, aber kampfbereit nach vorn

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Manchmal sagt ein Gesichtsausdruck über den Zustand und die Spannung eines Themas mehr aus als alles Reden darüber. Der von Andreas Rochholl, dem künstlerischer Leiter der Zeitgenössischen Oper Berlin, drückte am Montagabend das Attribut „angefressen“ aus. Mit zweistündiger Sauermiene saß Rochholl auf dem Podium in der Staatsoper, als müsste er Wagners Hagen geben. Rochholl war nicht die Ausnahme in der Runde. Neben ihm kaute Sabrina van der Ley, Chefin des Art Forums, mürrisch auf ihren Lippen. Und selbst Amelie Deuflhard von den Sofiensaelen war nicht gut drauf. Wie auch. Beim Thema und der Frage „Hauptstadtkulturfonds wohin?“ packt die Akteure und die Kunstproduzenten derzeit das kalte Grausen.

Warum das so ist – angesichts eines wahrlich einmaligen Förderinstruments für Kultur- sowie Kunstprojekte in der Hauptstadt –, ist nachvollziehbar. Die im Hauptstadtkulturvertrag zwischen dem Bund und dem Land Berlin geregelte Projektförderung war bislang als Instrument in der freien Szene wenig umstritten. Ausgestattet mit jährlich 10,22 Millionen Euro aus Bundesmitteln unterstützt sie innovative künstlerische Projekte mit nationaler und internationaler Ausstrahlung. „Der Hauptstadtkulturfonds trug zur Förderung der jungen Künstler und zur Entwicklung von Berlin als wesentlichen Produktionsstandort für die Kunst bei“, wie Deuflhard anmerkte.

Seit der Neuauflage des Vertrags zwischen Staatsministerin Christina Weiss (parteilos) und Kultursenator Thomas Flierl (PDS) aus dem Jahr 2003 indessen haben sich entscheidende Strukturen des Fonds verändert, erinnerte van der Ley. Die Kuratorin des Fonds, Adrienne Goehler, sei bereits „entmachtet“ worden. „Das letzte Wort über die Förderungen hat nun der Gemeinsame Ausschuss“ – ein mit je zwei politischen Vertretern des Bundes und des Landes Berlin besetztes Gremium – und nicht mehr die Jury samt Kuratorin. „Wird der Fonds jetzt zum politischen Spielball?“, motzte die Sofiensaele-Leiterin Deuflhard, die das neue Procedere als Folge des „Sündenfalls RAF-Ausstellung“ wertete. 2003 hatte der Kulturfonds die geplante KunstWerke-Ausstellung unterstützt. Danach liefen Politiker, darunter FDPler Guido Westerwelle, Amok.

Doch nicht allein dies empfanden die Kulturproduzenten und das langjährige Jurymitglied Nele Hertling als Skandal. Sondern auch, dass die Besetzung der die Projekte auswählenden Jury, selbst deren Auswahl und sogar die Vergabekriterien zukünftig verändert werden sollen. Zugleich monierten sie, dass kaum Transparenz über die Förderentscheidungen existiere. Und seit bekannt wurde, dass nicht mehr real 10,2 Millionen bereitstünden, weil der Bund sich eine Million Euro für Eigenproduktionen reserviert habe – etwa für den Martin-Gropius-Bau, die Akademie der Künste und das „Schillerjahr“ –, sei deutlich, dass der Fonds zum Steinbruch für ein anderes Kulturverständnis, zum Kampfplatz um Mittel und Inhalte, avanciert.

Dass hier ein Kultur-Förderinstrument für die Berliner Szene „unter politischen Druck gerät“, räumten Eckhardt Barthel, SPD-Kulturpolitiker im Bundestag, und PDS-Senator Thomas Flierl in der Staatsoper sogar ein. Vom Parlament oder dem Rechnungshof würden Entscheidungen wie die Zwischenpalast-Förderung „gar als Stilbruch betrachtet, weil der Bund doch den Abriss beschlossen hat“. Das könnten Steuerzahler nicht verstehen, so Barthel.

Ob Flierl die Botschaft des Abends verstanden hat? „Ich war gegen die Million.“ Außerdem müssten nun die Strukturveränderungen „problematisiert“ werden – etwa eine mangelnde Transparenz und die Alimentierung von Bundeskulturinstitutionen, sagte er.

Was Deuflhard zu wenig war, forderte sie doch die „Entpolitisierung“ des Kulturfonds – und guckte dabei grimmig.