„Der Schluss ist sublim“: Josef von Sternbergs „Morocco“ im Metropolis
: Désir und Zivilisation sind nicht zu vereinen

„Von allen Erfindungen Sternbergs kennt man in Deutschland allenfalls Marlene, die er mit dem Blauen Engel weltberühmt machte und in sechs weiteren Filmen einsetzte“, schrieb Frieda Grafe 1967, und: „Bei uns erschöpft sich sein Prestige heute noch in dem einzigen Film, den er – 1929 – in Deutschland gedreht hat.“ Daran hat sich auch über 35 Jahre später nicht allzu viel geändert. Während Lang oder Murnau zuletzt mit großen Retrospektiven und umfassenden Publikationen mustergültig gepflegt wurden, ist es um Josef von Sternberg, der zwischen 1924 und 1953 24 Filme drehte, in dieser Hinsicht momentan relativ still. Was umso bedauerlicher ist, da seine Filme ein zusammenhängendes Sehen und – schon ihrer ausgeklügelten Lichtsetzung wegen – die große Leinwand noch notwendiger brauchen, als die der meisten anderen Regisseure.

Ein gutes Zeugnis davon legt Morocco ab, Sternbergs erster mit Marlene Dietrich in Hollywood gedrehter Film von 1930, mit dem die Reihe „Filmgeschichte für Filmstudenten“ des Metropolis für dieses Jahr schließt. Hieran kann man gut studieren, wie sich durch extreme Stilisisierung in Austattung, Licht und Kameraarbeit eine Kinorealität mit ganz und gar eigenen Gesetzen erzeugen lässt. Diese erschöpft sich jedoch nie im nur Dekorativen, sondern erlaubt die nuancierte Behandlung von Sternberg‘schen Themen wie die schnelle Verstrickung des Menschen in tragische Abhängigkeiten. „In der Hand des Meisters“, schreibt Sternberg 1965 in seiner Autobiographie, „gibt es für die Ausdrucksmacht und Kraft der Kamera keine Grenzen. Wenn Grenzen, dann liegen sie aufseiten des menschlichen Auges.“ Und: “Der ideale Film, sollte es ihn je geben, wird vollkommen synthetisch sein.“

Ob Sternbergs Kamerablick die mit einem reichen Gentlemen (Adolphe Menjou) liierte Amy Jolly (Marlene Dietrich), welche sich in einen Fremdenlegionär (Gary Cooper) verliebt, nun zu einem Objekt degradiert oder ihr Selbständigkeit zubilligt – in einer Szene küsst die Hosen tragende Dietrich einer Frau auf den Mund – liegt im Auge des Betrachters. Für die letztes Jahr gestorbende Kritikerin Frieda Grafe, die in den späten Sechzigern in regem Kontakt zu Sternberg stand, war der Fall klar: „Morocco ist ein hinreißender Film. Der Schluss“ – Dietrich folgt Cooper auf High Heels in die Wüste – „ist sublim. Ich glaube, ich habe niemals einen Ausdruck dafür gekannt, der bündiger bezeichnet, dass Désir und Zivilisation nicht zu vereinen sind.“ Eckhard Haschen

Dienstag, 17 Uhr + Mittwoch 21.15 Uhr, Metropolis