Der Kandidat übt noch

Am Bekanntheitsgrad hapert es noch ein bisschen: Thomas Mirow eröffnet SPD-Wahlkampf in Billstedt

Thomas Mirow übt noch das Volkstümliche. „Und wie lange bauen Sie hier schon?“, fragt er die Bauarbeiter und nickt höchst interessiert, als er hört, dass sie just an diesem Tag angefangen haben: „Na, das ist ja eine tolle Sache.“ Angefangen hat für Mirow auch die zweieinhalb Monate lange Wahlkampfstrecke, und gestern auf dem Billstedter Wochenmarkt bekam er wohl schon eine Ahnung, was dabei auf ihn und auf uns zukommt.

In journalistischen Besinnungsaufsätzen über den SPD-Herausforderer um das Amt des Bürgermeisters darf das Wort spröde nicht fehlen. Dabei gibt sich Mirow alle Mühe: Eine Stunde lang bemüht er sich, interessiert zu lauschen, als ihm im Billstedter Kulturpalast von den Nöten der Stadtteilkultur berichtet wird. Es fehlt an Geld für Übungsräume für Bands, ein Zuschuss für Künstlerateliers wäre auch schön. Er könne „nicht gewährleisten, alle finanziellen Versprechen sofort zu erfüllen“, beeilt sich Mirow, solche Begehrlichkeiten im Keim zu dämpfen, lässt aber immerhin einen „Dank für dieses tolle Engagement von Ihnen“ zurück.

Im Sturmesschritt geht es zur nächsten Station, dem Wochenmarkt, wo die GenossInnen mit einem Rosenstrauß und die Medienmeute mit ihren Kameras schon auf ihn warten. Auf dem Weg dahin fällt eine alte Frau dem Tross in die Arme. Mirow gibt ihr die Hand: „Guten Tag, ich bin Ihr kommender Bürgermeister.“ Weil die Frau verständnislos zurückblickt, hilft der SPD-Bezirksabgeordnete Bernd Holst ein bisschen nach: „Thomas Mirow – den kennen Sie doch?“ Als noch immer kein Begreifen im Gesicht der Frau zu erkennen ist, zuckt Holst die Achseln: „Hm, kennen Sie wohl doch nicht.“ Schnell weiter, bevor die Situation noch peinlicher zu werden droht.

Auf dem Markt tut sich Mirow schon ein bisschen leichter. Rosen gibt es „für die Damen“, die Journalisten und Fotografen prügeln sich um Statements und Bilder. Eine betagte Frau, die ihr Missfallen über Herrn Schill loswird, Mirow „die Daumen drückt“ und dafür mit einer Rose beglückt wird – das ist ein Bild, mit dem auch die SPD-Marketingleute gut leben können. Und der 64-jährige Adolf Stiebeler, der seine SPD-Beitrittserklärung gleich mitgebracht hat, könnte nicht besser bestellt sein. Die Menschentraube um den Kandidaten wächst, der redet sich langsam warm und glaubt, dass „die Hamburger mich aus meiner Zeit als Senator in guter Erinnerung haben“.

Noch eine Frau naht, ihre Enkelin untergehakt: „Sind das da die Popstars?“ fragt sie erwartungsfroh einen der um Mirow herumwieselnden SPD-Leute. „Nein, das ist Thomas Mirow, der Ihr Bürgermeister werden will“, bekommt sie zur Antwort. „Bürgermeister? Nee, dann nicht“, greift die Frau ihre Enkelin und dreht sich auf dem Absatz um. Eine Rose nimmt sie aber doch noch mit. PETER AHRENS