Eins, zwei, drei – und Schwarz-Schill-frei

Hamburgs Parteien motivieren sich in Sitzungsmarathon für die Neuwahl, Schill rüstet für den Endkampf. Spitzenkandidaten Beust und Mirow stehen fest, Goetsch noch nicht offiziell. FDP setzt auf die Doppelspitze Soltau und Müller-Sönksen

von SVEN-MICHAEL VEIT

Die Ereignisse des Dienstags „haben mich tief traurig gemacht“, heuchelt Ronald Schill. „Ich bitte die Menschen um Vertrauen in mich und denke nicht taktisch“, treuherzt Ole von Beust. „Wir wollen nicht Juniorpartner der CDU werden“, muskelspielt Thomas Mirow. Von einem „deutlich einstelligen Ergebnis“ fabuliert FDP-Sprecher Christian Sommer, GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch bescheidet sich mit einer „rot-grünen Neuauflage“. In Hamburg hat, kein Zweifel, der Wahlkampf begonnen.

Am Tag nach dem verkündeten Ende der Rechts-Koalition starteten Hamburgs Parteien in einen vorbereitenden Sitzungsmarathon. Alle wesentlichen Entscheidungen über Personen und Programme werden – aufgrund der Terminvorgaben des Wahlgesetzes (siehe Kasten) – sämtlich auf Parteitagen im Januar getroffen werden müssen.

Am Abend traf sich der Landesvorstand der CDU, um von Beust als Spitzenkandidaten zu nominieren, Präsidium und Vorstand der FDP erwärmten sich zeitgleich für die Doppelspitze Bildungssenator Reinhard Soltau und Fraktionschef Burkhardt Müller-Sönksen. Die Liberalen sind die Einzigen, die eine Koalitionsaussage machen: „Schwarz-Gelb“, bestätigt Sommer, „ist unser Ziel“, ein Bündnis mit der SPD „kommt nicht in Frage“. Ob eine Schill-freie Ex-Schill-Partei als Partner in Frage komme, bleibt wortreich unbeantwortet.

„Startklar“ zu sein, beteuert Christoph Ahlhaus, Landesgeschäftsführer der Union: „Wir haben den Schalter auf Wahlkampf umgelegt“, damit von Beust Bürgermeister bleibe. Auch die Union setzt auf die FDP als Partner, blickt interessiert auf den Reinigungsprozess bei den Rechtsstaatlich Offensiven – und hält sich insgeheim die Option auf eine Große Koalition mit einem Juniorpartner SPD offen.

Bei den Grünen dürfte Goetsch die Spitzenkandidatur sicherer sein als der Wunschpartner SPD. Zwar hegen die Sozialdemokraten nahezu geschlossen Sympathien für eine erneute rot-grüne Regierung, Koalitionsaussagen aber lehnt Möchtegern-Bürgermeister Mirow traditionell ab. Sowohl SPD als auch GAL wollen sich nicht in einen „Lagerwahlkampf“ treiben lassen, die Sozialdemokraten sich zudem die Option auf eine Große Koalition offen halten: „Nach der Wahl werden wir sehen, was möglich ist“, sagt Mirow. Goetsch kontert mit dem Hinweis, selbst Schwarz-Grün sei „rein theoretisch nicht kategorisch auszuschließen“.

Eine gestern veröffentlichte Umfrage des Psephos-Instituts für das Abendblatt bestätigte frühere Ergebnisse. Rot (36 Prozent) und Grün (11%) können auf eine Mehrheit in einem Drei-Parteien-Parlament hoffen, obwohl die CDU (41%) zur stärksten Fraktion werden dürfte. Die FDP (3%) und eine Ex-Schill-Partei (5%) müssen derweil um ihr Überleben bangen. Zugleich möchten 86 Prozent der Befragten, dass Schill „keine wichtige Rolle in der Politik mehr spielen“ soll, immerhin acht Prozent wünschen sich unverdrossen das Gegenteil.

Der Rechtspopulist, der morgen aus der Schill-Fraktion ausgeschlossen werden soll, bekräftigte gestern, Opfer eines „Komplotts“ zu sein. Entmutigen lassen will er sich aber nicht. Über die Gründung einer neuen Partei berate er „mit meinen Anhängern. Und das sind Tausende.“

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