Bremen liegt ganz hinten

LÖHNE Frauen verdienen immer noch viel weniger als Männer. Das Problem ist bekannt, aber dem Senat fehlt das Bewusstsein und er fühlt sich machtlos

VON FELIX ZIMMERMANN

Das Problem ist komplex und beständig, der Fragenkatalog dazu lang, die Antworten eher dünn – die CDU-Fraktion hat mittels großer Anfrage einiges vom Senat zu Lohnunterschieden zwischen Männern und Frauen wissen wollen, heute wird darüber in der Bürgerschaft debattiert. Es dürfte – abhängig von der rhetorischen Brillanz der CDUler – eine muntere Plenarsitzung werden, denn in seiner Antwort gibt sich der Senat wenig kreativ und machtlos.

Die Fakten ergeben ein bestürzendes Bild, von Geschlechtergerechtigkeit kann längst noch keine Rede sein: In Deutschland verdienen Frauen 23 Prozent weniger als Männer, in der EU sind es 15 Prozent. Bremen rangiert beim Städtevergleich ganz hinten: Frauen verdienen im Durchschnitt 24 Prozent weniger als Männer; andere Berechnungen kommen auf 30 Prozent.

Dünn ist es, was dem Senat zu den Fragen der CDU einfällt – Gründe etwa für den überdurchschnittlichen Lohnunterschied in Bremen? Außer bundesweit geltender Ursachen schlicht: „keine“. Möglichkeiten zur Ursachenanalyse in Bremen? Weil es ein bundesweites Phänomen sei, „sollte die Ursachenanalyse vorrangig auf Bundesebene erfolgen“. Initiativen von Privatwirtschaft und Landesregierung zur Angleichung der Gehälter? „Gibt es derzeit nicht“, das sei Sache der Tarifvertragsparteien.

Wer sich in Bremen mit Gleichstellungspolitik beschäftigt, staunt über solche Antworten oder ist schlicht empört. Regine Geraedts etwa, bei der Landesfrauenbeauftragten zuständig für „Arbeit und Wirtschaft“ sieht sehr wohl Anlass zu einer Studie, „die für Bremen herausarbeitet, warum Bremen im Vergleich zu anderen Ballungsgebieten schlechter dasteht“ – auch wenn es sich bei dem Lohnunterschied nicht grundsätzlich um ein bremisches Problem handele. „Wir wollen mehr wissen, um handeln zu können“, sagt Geraedts. Sie hat auch einen Vorschlag, was Regierung und Unternehmen gemeinsam tun könnten: In einem Pilotprojekt sollten Firmen Lohndaten geschlechtsspezifisch sortiert regelmäßig für Analysen zur Verfügung stellen. Auf Bundesebene werde das derzeit mit vier Unternehmen gemacht, „warum nicht auch hier, um mehr zu erfahren“, fragt Geraedts. Allerdings müsste sie arge Zweifel haben, ob der Senat tatsächlich reif für solche Maßnahmen ist, wo ihm doch vielleicht das Problembewusstsein fehlt: Im Bereich „Schlachten und Fleischverarbeitung“, schreibt der Senat in der Antwort auf die CDU-Anfrage, betrage der Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern circa 15 Prozent und liege damit „nicht eklatant unter dem Männerverdienst“. Gereadts findet das „empörend“.

Bei der Arbeitnehmerkammer verweist die Referentin für Gleichstellungs- und Geschlechterpolitik, Margareta Steinrücke, auf die Kultur langer Arbeitszeiten, die in Deutschland mehr als in anderen Ländern gepflegt werde. Für Frauen, die oft in Teilzeit arbeiteten und Kinder versorgen müssten, sei das ein Ausschlussgrund, wenn es um Beförderung in höher dotierte Jobs gehe.

Steinrücke schlägt vor, „in Bremen einen gesellschaftlichen Diskurs gegen die langen Arbeitszeiten anzuzetteln“, um das Bewusstsein dafür zu schaffen, wie nachteilig diese Kultur für Frauen ist, die auch in ihrem Beruf etwas werden wollen. In den Niederlanden etwa geht es gerechter zu, weil dort auch Männer vermehrt in Teilzeit tätig sind. Immerhin: Nach Gesprächen mit Handels- und Handwerkskammer sowie Wirtschaftssenator Ralf Nagel habe man den Eindruck, die Herren interessierten sich für das Thema. Und was die Sprecherin von Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter (SPD) verkündete, klingt nicht so schlecht: Der Senatorin sei das Thema wichtig, man arbeite fleißig daran – aber es sei eben auch sehr komplex.