Der Autokrat stellt sich taub

Im Vermittlungsausschuss genießt Roland Koch die Berliner Bühne. Kann ihm die Kritik in Hessen gar nichts anhaben?

Roland Koch hat inzwischen – acht Monate nach seiner Wiederwahl zum Ministerpräsidenten im Hessischen Landtag – die ihm auf den Leib geschriebene Rolle des Autokraten gerne angenommen. Und er turnt öfter als alle anderen Provinzfürsten der Union ausgesprochen gerne in Berlin vor: auf Augenhöhe mit dem Kanzler; und erst gestern wieder im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat.

In Wiesbaden heißt es schon längst: Koch pur. Und kein Mensch verschwendet auch nur noch einen Gedanken daran, dass er noch gleich nach dem absoluten Wahlerfolg im Februar eigentlich die FDP als liberales Korrektiv in die Regierungsarbeit einbinden wollte. Die lehnte dankend ab. Koch startete alleine durch: gegen Gott und alle anderen.

Wie von einer Wand prallten im Landtag die Versuche der Oppositionsparteien ab, das vom Ministerpräsidenten fest verpackte Sparpaket, mit dem vor allem sozialen Projekten der finanzielle Boden unter den Füßen weggezogen wird, wieder aufzuschnüren und neu gerechter zu sortieren.

Zuletzt richtete die SPD gestern sogar Appelle „an jeden einzelnen Landtagsabgeordneten der Union“, dem Ministerpräsidenten beim „rigorosen Sozialabbau“ die Gefolgschaft zu versagen – aus Barmherzigkeit. Doch die Parlamentarier stehen wie eine geschlossene Phalanx hinter ihrem Ministerpräsidenten, diszipliniert auch durch die äußerst knappe Mehrheit von 56 zu 54 Sitzen.

Auch die Proteste gegen sein – so die Gegner – „brutales Sparprogramm“ sitzt Koch einfach aus. Gestern erst demonstrierten in Frankfurt Rentner, Behinderte und Kriegsversehrte. Auch die streikenden Studenten machen sich kaum noch Hoffnungen, dass sie bei Koch auf offene Ohren stoßen. Noch mit „einiger Hoffnung“ waren sie kürzlich zum Gespräch mit ihm in die Staatskanzlei gekommen. „Völlig desillusioniert“ kamen sie wieder heraus.

Nicht besser erging es den Lehrern. Eine Stunde mehr werden sie alle arbeiten müssen, im Gegenzug werden 1.000 Lehrerstellen abgebaut. Dass Koch bei Amtsantritt noch „volle Unterrichtsversorgung“ für alle Schülerinnen und Schüler des Landes versprach, stört ihn dabei nicht. „Der Herrscher regiert unumschränkt“, so definiert das Lexikon die Regierungsform der Autokratie.

Bei der Frankfurter Flughafengesellschaft sprach sich Koch als Aufsichtsratschef dagegen für eine drastische Erhöhung der Managergehälter aus. Schließlich sollen die Spitzenkräfte die Airporterweiterung für ihn durchziehen. Spendabel zeigte sich Koch auch bei der Ausstattung seines neuen Amtssitzes. Als Autokrat braucht er auch das seiner Stellung entsprechende Ambiente. Die neue Staatskanzlei im wilhelminischen Villenviertel der Landeshauptstadt wurde – trotz aller Sparappelle – höchst exquisit ausgestattet.

Für die Unbilden des Alltags hat der Autokrat einen treuen Knappen. Der heißt Franz Josef Jung, ist Fraktionsvorsitzender im Landtag – und musste erst jüngst wieder in Fulda für Koch den Kopf hinhalten, als es darum ging, vor aufgebrachten Parteifreunden den geplanten Parteiausschluss von Martin Hohmann zu rechtfertigen. Jung bekam den Unmut der Basis zu spüren, während Koch daheim den Vorgarten pflegte. Eine Tätigkeit, der auch frühere Autokraten gerne nachgingen.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT