MAUT-KATASTROPHE: STOLPE SCHEUT WEITER JEDE ENTSCHEIDUNG
: Die Zärtlichkeit des Verkehrsministers

Großprojekte sind in den Händen von Manfred Stolpe nicht gut aufgehoben. Ihm fehlt mindestens ein Praxisjahr in der freien Wirtschaft – kein Konzernchef würde derart zärtlich mit seinen Geschäftspartnern umgehen. Gestern im Verkehrsausschuss des Bundestags fand er zwar deutlichere Worte als sonst im Maut-Spektakel. Einen verbindlichen Starttermin will er von Toll Collect hören, einen Ausgleich für die Einnahmenausfälle bekommen. Nur: Folgen hat das alles nicht.

Die politisch-industriellen Verbandelungen haben überlebt, obwohl die Zeiten der großen Staatsaufträge längst vorbei sind. Der milliardenschwere Bau von Atomkraftwerken, überdimensionierten Autobahnen und Kanälen oder die üppig dotierten Rüstungsgeschäfte ohne jeden Schutz gegen Preisexplosionen gehören der Vergangenheit an. Bei der Maut setzten DaimlerChrysler und Telekom dann noch einmal auf den staatlichen Samthandschuh. Sie kannten es nicht anders und haben ihn bekommen.

Stolpe hat selbst in den letzten Monaten kein Stück dazugelernt. Es ist ärgerlich, dass er auf diese Weise den aus ökologischer Sicht sinnvollen Wegezoll diskreditiert. Aber das ist nicht alles: Mittlerweile müssen wegen der fehlenden Mautgelder auch die Mittel für die umweltfreundliche Bahn zusammengestrichen werden.

Ein Privatunternehmer hätte selbstverständlich den Schadenersatzanspruch gegenüber Toll Collect im Vertrag festgezurrt. Kein Manager würde dann so unbeholfen seine Forderungen in die Welt rufen, wie Stolpe es jetzt tut. Kein Manager hätte sich auf einen Vertrag eingelassen, dessen Zeitplan von Anfang an viel zu eng gefasst war. Und selbst wenn die Einzelheiten des Vertragswerks nicht von Stolpe zu verantworten sind – er lässt eine Chance nach der anderen verstreichen, ökonomisch vernünftig zu handeln.

Die Alternative zu den Versagern von DaimlerChrysler und Telekom könnte Autostrade heißen, die italienische Straßenzollfirma. Pannenlos baut sie in Österreich das Mautsystem auf. Und Stolpe liegen noch weitere Angebote vor. Ein guter Manager hätte längst gewählt. Ein guter Minister auch. HANNA GERSMANN