Zeuge Koch beklagt politischen Schaden

Der hessische Ministerpräsident sagte gestern im Verfahren um die CDU-Schwarzgeldaffäre aus. Er entlastete die drei Angeklagten Kanther, Wittgenstein und Weyrauch zwar – allerdings nicht juristisch, sondern nur moralisch

WIESBADEN taz ■ Gut gelaunt und aufgeräumt stürmte der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) gestern Vormittag durch den Vordereingang ins Wiesbadener Landgericht. Schon vor der Tür erklärte er, dass er gerne und „nach bestem Wissen und Gewissen, alles, was ich weiß“, aussagen werde. Das sei „seine Pflicht“ als Zeuge.

Es war dann aber nicht mehr als das, was er seit fünf Jahren immer wieder vor Untersuchungsausschüssen und Staatsanwälten erklärt hatte. Er habe von der CDU-Schwarzgeldaffäre erst im Dezember 1999 eine Ahnung bekommen. Bis dahin habe er nicht gewusst, dass ein Millionenvermögen der Partei auf illegalen Konten im Ausland lagerte.

Mit freundlichem Kopfnicken begrüßte Koch die drei der Untreue und der Beihilfe zu Lasten der CDU Angeklagten, den ehemaligen Schatzmeister Casimir Prinz zu Sayn Wittgenstein (87), den ehemaligen Parteivorsitzenden und Ex-Bundesinnenminister Manfred Kanther (65) und den Finanzberater Horst Weyrauch (72). Er entlastete alle drei moralisch: Er sei sich sicher, dass sich keiner von ihnen persönlich bereichert habe, als sie gemeinsam seit dem Winter 1983 insgesamt fast 21 Millionen Euro Parteivermögen von den offiziellen Parteikonten entfernten und zuerst in die Schweiz und dann als Stiftung nach Lichtenstein transferierten. Die Zinsen des gut angelegten Geldes wanderten auf Umwegen in die Parteikasse zurück.

Er selbst habe erst kurz vor Weihnachten 1999 bemerkt, dass mit den Parteikonten etwas nicht stimmen könne, versicherte Koch. Es seien zu hohe Beträge, unter anderem auch Bareinzahlungen, eingegangen. Auf Rückfragen habe ihm Prinz Wittgenstein versichert, es handele sich dabei um „jüdische Vermächtnisse“ anonymer Stifter. Zuerst habe er das auch geglaubt und nur „selten und seltsam“ gefunden. Dann aber sei es zu einem „Zusammenbruch des Vertrauens“ gekommen, weil eigene Recherchen andere Ergebnisse gezeitigt hätten.

Die ganze Wahrheit will Koch erst nach seinem Urlaub im Januar von Kanther erfahren haben. Trotz dessen Bedenken sei er sofort an die Presse gegangen.

Über die Herkunft des Geldes könne er bis heute nichts sagen, beteuerte Koch. Seine eigene „Hypothese“ sei, dass es aus dem damals hohen Parteivermögen, zwei Wahlkampferstattungen Anfang der 80er-Jahre und aus Spenden zusammengesetzt gewesen sei. Auch seien damals der Stimmenanteil und die Mitgliederzahlen der CDU signifikant gestiegen. Das aber sei ebenso „Spekulation“ wie jede andere Erklärung auch. Er selbst habe auch an eine Herkunft aus der Spendensammelstelle „Großstaatsbürgerliche Vereinigung“ gedacht. Dann aber hätte es „mehr Geld gewesen sein“ müssen. Koch erklärte, seines Wissens habe die Partei durch den Entzug des Vermögens „keine Not gelitten“. Man habe „auf hohem Niveau von der Hand in den Mund gelebt“.

Er selbst habe die Mitgliederbeiträge nur deshalb erhöht, weil er für die laufenden Kosten nicht mehr so stark von Spenden abhängig sein wollte.

Den politischen Schaden für die CDU wertete er ungleich höher als den materiellen. Allerdings sei die Parteistrafe von 21 Millionen Euro wegen des in den Rechenschaftsberichten nicht deklarierten Geldes für die Bundes-CDU nur schwer zu verkraften.

Der hessische Landesverband „als Hauptverursacher“ werde „selbstverständlich“ einen großen Anteil davon tragen und deshalb wieder von Spenden abhängig werden: „Das entblößt uns jeder Risikoabfederung.“ Ob dies allerdings mit einer Verurteilung der Angeklagten wegen Untreue geahndet werden könne, bezweifelte der Jurist Koch.

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