Demokraten behalten die Macht

Fast wäre ein Grüner zum neuen Bürgermeister von San Francisco gewählt worden

WASHINGTON taz ■ Dienstagnacht platzten die Träume der „Green Party“ in San Francisco. 53 Prozent der Bürger der liberalen Westküstenmetropole stimmten bei der Wahl zum Bürgermeister für den Demokraten Gavin Newsom, 36. Grünen-Kandidat Matt Gonzalez, 38, ging mit rund 47 Prozent der Stimmen leer aus.

Dabei schien der Sieg diesmal greifbar nahe. Gonzalez, anfangs weit abgeschlagen, stieg zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit Newsom auf, überholte ihn gar in einigen Umfragen. Nur drei Prozent der Wähler in San Francisco sind als Grüne registriert, und doch sah es für einen gar nicht so kurzen Moment so aus, als ob Gonzalez das Zepter übernehmen sollte. Er wäre damit der erste grüne Bürgermeister einer bedeutenden Stadt in den USA geworden. Diese Aussicht hatte für ein Echo weit über Kalifornien hinaus gesorgt.

Der 38-jährige Bürgerschreck Gonzalez, Strafverteidiger, Stanford-Absolvent und Hobby-Literat, war zur Galionsfigur eines Kulturkampfes zwischen dem demokratischen Establishment und desillusionierten Graswurzel-Aktivisten geworden. Sein Erfolg beruhte zum Teil auf der bislang wohl ungewöhnlichsten Wahlkampage in der Stadt. Literatur-Lesungen wurden zu Wahlabenden, ebenso Yoga-Klassen und Rock-Konzerte. Mit Feuerwehr-Trucks, die zu fahrenden Dancefloor-Bühnen umgebaut wurden, mobilisierte er die ansonsten politikverdrossenen jungen Leute. Seine Wahlkampf-Zentrale glich einer Mischung aus Studentenkeller und Computer-Hacker-Garage.

Doch für seinen Aufstieg waren letzlich tiefere Kräfte am Werk, die landesweite Strömungen reflektieren und von Bush-Herausforder Howard Dean und dem erfolgreich um den Gouverneursposten kämpfenden Arnold Schwarzenegger gleichermaßen aufgenommen wurden: der Verdruss über eine „politische Maschine“, die für Patronage, Vetternwirtschaft und korrumpierende Wahlspenden steht. Newsom, Unternehmer, Millionär, Mitglied der High-Society, der vom scheidenden Bürgermeister „inthronisiert“ wurde, wurde als perfekter Vertreter dieses Systems angesehen.

Gonzalez hatte den Außenseiter-Bonus. Er lebt in einer Wohngemeinschaft, besitzt kein Auto und präsentierte sich als der normale Typ von nebenan. Da war es zunächst unwichtig, dass auch er kaum Antworten zur Lösung der städtischen Probleme – Obdachlosigkeit, leere Haushaltskasse, Schaffung bezahlbarer Wohnungen, Finanzierung öffentlicher Schulen – geben konnte, außer höhere Steuern für Unternehmen zu fordern – zum Entsetzen der ansässigen Firmen.

Den Unternehmern der Stadt bleiben nun höhere Abgaben und den Demokaten eine Blamage erspart. Ein Sieg hätte die Grünen zudem beflügeln können, wieder einen eigenen Kandidaten ins Rennen um das Weiße Haus zu schicken – nach dem Wahldebakel 2000, als Grünen-Kandidat Ralph Nader aus Demokratensicht Al Gore die entscheidenen Stimmen abnahm, ein Alptraumszenario für die Opposition in Washington.

MICHAEL STRECK