Sozialreformen verschieben sich

Neuer SPD-Vorschlag: Arbeitslosengeld II erst ab Januar 2005. Vermittlungsausschuss wird wohl bis Montag tagen. Gespräch zwischen Schröder und Merkel noch ungewiss

Laut SPD sollen sowohl die Arbeitsämter als auch die Kommunen für die Langzeiterwerbs-losen zuständig sein

BERLIN taz ■ Bundesregierung und Opposition waren sich gestern nur einmal einig: Es wird mühsam im Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag. Bis Mitternacht wollten die 32 Teilnehmer über die Arbeitsmarkt- und Steuerreformen beraten, aber niemand rechnete mit einem Durchbruch.

Sicherheitshalber sind weitere Sitzungstermine angesetzt. Heute Nachmittag will man sich treffen, morgen früh gibt es ebenfalls einen „Vorhaltetermin“. Die Abstimmung solle dann am Montag oder Dienstag stattfinden, berichteten Teilnehmer.

Allerdings gibt es bei diesem Zeitplan einige Regularien zu beachten: So kann der Vermittlungsausschuss nur über fertige Gesetzestexte befinden. Dafür brauchen die Juristen in den Ministerien mindestens das Wochenende – der Vermittlungsausschuss müsste sich demnach am Freitag weitgehend einigen.

Danach sah es aber gestern nicht aus. Nach einer ersten Sitzungsrunde erklärte CDU-Verhandlungsführer Volker Kauder, man sei „ganz schön weit auseinander“.

Bleibt also die Frage, die das politische Berlin seit Tagen bewegt: Kommt es zum Spitzengespräch zwischen CDU-Chefin Merkel und Kanzler Schröder? Beide halten sich bedeckt, und der Vermittlungsausschuss signalisiert: „Daran haben wir kein Interesse.“ Es wäre ja eine Entwertung seiner Arbeit. So scheint nur sicher: Wenn es zu einem Gespräch der Spitzen kommt, dann nicht vor Sonntag. So lange weilt der Kanzler in Brüssel.

Inzwischen hat die Regierung einen neuen Vorschlag für den Arbeitsmarkt unterbreitet. Bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II war stets umstritten, wer zuständig werden soll für die Langzeitarbeitslosen. Die Bundesanstalt für Arbeit, wie es die Regierung ursprünglich wollte? Oder die Kommunen, was Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zu seinem Anliegen gemacht hat? Nun lautet der SPD-Kompromiss: Es soll „rechtlich zwei Träger“ geben. Die Bundesanstalt verantwortet die Arbeitsmarktprogramme und zahlt das Arbeitslosengeld II aus – die Kommunen sind weiterhin verantwortlich für das Wohngeld. Doch trotz der zwei Träger sollen die Arbeitslosen „nur einen Ansprechpartner“ haben. Nicht einfach zu organisieren. Daher schlägt die SPD vor, das Arbeitslosengeld II erst 2005 zu starten. Bisher sollte die Neuregelung ab nächsten Juli gelten.

Gleichzeitig will die SPD dem Osten entgegenkommen. Dort leben weit weniger Sozialhilfeempfänger als im Westen – der daher hauptsächlich davon profitiert, dass künftig der Bund weitgehend die Kosten für alle Langzeitarbeitslosen trägt. Also soll es ein Dreiecksgeschäft bei der Umsatzsteuer geben. Die Länder würden 1,6 Prozentpunkte an den Bund abtreten, der 0,9 Prozentpunkte an die fünf östlichen Flächenstaaten weiterreicht. „Das müssen wir uns genau anschauen“, kommentierte Kauder das Zahlenwerk. uh