Grüne fühlen sich als Sieger

Die Ökopartei glaubt, das Plutoniumgeschäft verhindert und Schröder ausgebootet zu haben

VON JENS KÖNIG, BERNHARD PÖTTER
UND LUKAS WALLRAFF

Nach grüner Lesart läuft in Sachen Atomexporte alles bestens. Im Streit um die geplanten Siemens-Geschäfte mit Finnland und China fühlt sich der kleine Koalitionspartner schon als großer Sieger. Der Grund für die Triumphgefühle ist die Zusage von SPD-Fraktionschef Franz Müntefering, die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) müsste die Nutzung der Hanauer Plutoniumanlage in China kontrollieren. „Ich könnte mir gut vorstellen, dass die chinesische Regierung wegen dieser Auflage das Interesse verliert“, sagte Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck der taz.

Vielleicht ist diese Lesart aber auch nur Teil der grünen Beruhigungsstrategie. In mindestens zwei Fällen hat China bisher nämlich akzeptiert, dass der Import von Nukleartechnik unter der Aufsicht der IAEO stattfindet. Die Behörde selbst äußert sich nicht zu den Vorgängen. Doch aus dem engen Umfeld der IAEO heißt es, sowohl eine russische Fabrik zur Anreicherung von Atombrennstoffen wie auch ein AKW japanischer Bauart seien nur unter diesen Bedingungen nach China verkauft worden.

Schließlich ist China IAEO-Mitglied. Zwar steht das Land ebenso wie die anderen vier offiziellen Atommächte nicht unter der offiziellen Überwachung der Behörde. Doch der IAEO-Jahresbericht weist allein für das Jahr 2000 mindestens drei Inspektionen von IAEO-Delegationen in zivilen chinesischen Atomanlagen nach. Nach Angaben aus IAEO-Kreisen hätte die Atombehörde auch das Personal und die technischen Mittel, um die Hanauer MOX-Anlage in China lückenlos zu überprüfen.

Dass der Kanzler zumindest offiziell weiterhin an einen Vollzug des Hanau-Geschäfts glaubt, lassen die Grünen lieber unerwähnt. Auch die energiepolitische Sprecherin der Grünen, Michaele Hustedt, hält es für „wahrscheinlich, dass die chinesische Regierung einer solchen Kontrolle nicht zustimmen wird und das Geschäft dadurch nicht zustande kommt“.

Die Atomexportgegner in der SPD finden, dass die Grünen hier ein bisschen zu sehr von ihrer eigenen Kraft überzeugt sind. Die Sozialdemokraten sind verschnupft darüber, dass sich die Grünen die vermeintlichen Erfolge allein auf ihre Fahne schreiben wollen. „Die grünen Minister haben mit dem Plutoniumdeal auch überhaupt nichts zu tun“, spottet einer aus der SPD-Spitze. Die durchgesetzten Kompromisse seien das Ergebnis des Protestes beider Parteien, sagt ein Mitglied der SPD-Fraktionsführung.

In der Einschätzung der Hanau-Export-Aussichten teilen einige SPD-Kritiker jedoch die hoffnungsvolle Meinung der Grünen. SPD-Vorstandsmitglied Hermann Scheer ist sich sogar sicher: „Das Geschäft ist tot.“ Es werde nicht zum Export der MOX-Fabrik kommen, sagte Scheer der taz. „China hat, ebenso wie die anderen vier Atommächte, noch nie eine Sonderbehandlung akzeptiert.“

Regierungssprecher Béla Anda spielte die Rolle der Atomenergiebehörde gestern herunter. Es gebe „keine neue Entwicklung“, sagte Anda. Eine Kontrolle durch die IAEO sei „seit langem im Gespräch“. Zur Einschätzung Scheers und der Grünen, mit den Kontrollauflagen werde das Hanau-Geschäft wahrscheinlich platzen, sagte der Regierungssprecher, dafür habe er „keine Hinweise, im Gegenteil“. Durch die Kontrolle der IAEO könne vielmehr deutlich gemacht werden, dass die Anlage nur zivil genutzt werde.

meinung und diskussion SEITE 11