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: Seelische Narben vom Krieg

Das Kölner ARTheater hat Besuch aus der Landeshauptstadt: Seit letzter Woche gastiert die „Schauspielcompagnie Düsseldorf“ am Ehrenfeldgürtel, auf dem Spielplan steht „Birdy“ von Naomi Wallace. Das vor vier Jahren gegründete freie Ensemble zeigt seine aus Sprache, Tanz, Video und Musik zusammengesetzte Version des 1984 verfilmten Anti-Kriegs-Klassikers erstmals in der Domstadt.

„Birdy“ ist zunächst einmal ein Spitzname: Ihn trägt ein junger Mann, den schon als Kind die Vögel faszinierten und der jetzt, von seinem Einsatz im Vietnamkrieg zutiefst traumatisiert, als menschliche Taube in der Anstalt lebt: Auf der Bühne des ARTheaters hockt Birdy (Kleber Vallim) reglos in einer Kiste wie in einem klinikweißen Vogelhäuschen, eine Krankenschwester (Jelena Ivanovic) kommt täglich zur Fütterung vorbei. Auf Initiative der behandelnden Ärztin (Andrea Grudda) soll Birdys Jugendfreund Al (Fatih Cevikkollu) den Vogelmenschen in die Realität zurückholen, indem er ihm gemeinsame Erlebnisse in Erinnerung ruft.

Doch es kommt anders: Zunehmend werden die therapeutischen Besuche bei Birdy zu einem Erkenntnisprozess, dessen Hauptperson Al heißt. Auch er ist vom Krieg gezeichnet, soll sich in der Heimat von körperlichen Verletzungen erholen. Dabei wiegen die seelischen Erschütterungen schwerer, fallen aber nicht auf, denn Al hat sie hinter einer Fassade aus Angriffslust und Gewaltbereitschaft bestens versteckt. Bei Birdy schaut er in den Spiegel seiner eigenen Seele, erkennt die Verweigerung des Freundes als mögliche Alternative: Statt sich weiter abzuhärten gegen die Forderungen einer deformierenden Wirklichkeit, könnte auch er zum Vogel werden und in Richtung seiner eigenen Seele abheben.

Die Inszenierung im ARTheater setzt auf das poetische Moment dieses anrührenden, etwas thesenhaften Klassikers über die psychischen Folgen von Krieg und Gewalt. Viele Elemente der Multimedia-Collage appellieren an das ästhetische Empfinden der Zuschauer: das Bühnenbild (Sabrina Moncys), in dem ein membranartiges Gespinst aus Wollfäden den Taubenschlag von der restlichen Klinikwelt trennt, Birdys getanzte Vogelphantasien, die gefilmten Jugenderinnerungen, begleitet von eigens komponierter Musik (Bojan Vuletic). Angesichts von so viel innovativer Cross-Over-Performance lassen sich das etwas hölzerne Spiel und der allzu bedeutungsschwangere Gesamteindruck leicht verschmerzen. Prädikat: sehenswert.

Holger Möhlmann

„Birdy“: bis 4.12., jeweils 21 Uhr, ARTheater Köln, Ehrenfeldgürtel 127, Tel. 0221/550 33 44