Mittellange Filme im Metropolis-Kino
: Zwischen Propaganda und Alltag – ein Tag in Nordkorea

Auf der Leinwand erhebt sich die gewaltige Kulisse einer sozialistischen Betonsiedlung, Wohnblock an Wohnblock, Wohnung an, neben, unter, über Wohnung, grau und trist. In einer dieser Wohnungen, auf einer dieser unzähligen Etagen, staubt ein Mann akribisch Bilder von Kim Jong II. ab, zwei Frauen bereiten in der Küche das Frühstück vor. Eine von ihnen ist die Näherin Hong Sun Hui, die der niederländische Regisseur Pieter Fleury in seinem Film North Korea – A Day In Life porträtiert. Die Kamera begleitet sie an einem ganz normalen Tag, vom Aufstehen bis zum Schlafengehen, zeigt sie bei der Fabrikarbeit, die kleine Tochter im Kindergarten, den Bruder im Englischkurs. Der Film ist einer der elf Beiträge der Reihe „Über Kurz oder Lang: Glanzlichter des mittellangen Films“, den die KurzFilmAgentur Hamburg am Sonnabend und Sonntag im Metropolis präsentiert. Mittellange Filme sind Filme, die für einen Kurzfilm zu lang, für einen Kinoabend zu kurz sind.

Pieter Fleury verzichtet in North Korea – A Day In Life auf Kommentare und Häme, lässt Bilder für sich sprechen. Martialische Kampfsprüche, die im Kindergarten zu rührseligen Geschichten über den Führer Kim Jong II. werden, dröhnende Marschmusik und Fabrikarbeiter beim Frühsport, Fahnenflattern und dauernde Drohgebärden gegen den Feind, die USA. Und immer und überall: Uniformierte und Kim Jong II, als monströses Monument oder auf kitschigen Gemälden.

Es sind Bilder vom endlosen Strom der Propaganda am Arbeitsplatz, beim Pausensport, im Kindergarten, in der Schule, Bilder blühender Blumen am Rande einer grauen Wohnsiedlung, von lachenden Schülern und vom wütenden Großvater, der Vater und Bruder im Koreakrieg verlor und nun mit Tränen in den Augen stolz verkündet, dass seine Enkelin „alle amerikanischen Hunde“ töten will. Es sind Bilder, die Menschen und ihre Gefühle in einem staatlich geregelten und kontrollierten Alltag zeigen. Und Bilder, die zuweilen unweigerlich ins Komische driften. Dann, wenn Leiter und Vorarbeiterinnen der Textilfabrik Akkordeon und Gitarre zur Hand nehmen und mit einem strahlenden Lächeln inbrünstig ein Lied zu Ehren des großen, unendlich gutherzigen Führers Kim Jong II. anstimmen. Christine Schams

„Über Kurz oder Lang: Glanzlichter des mittellangen Films“, Sonnabend und Sonntag, jeweils um 18, 20 und 22 Uhr, Metropolis; vollständiges Programm unter www.shortfilm.com