Harmonie trotz Einsparungen

DAIMLER Wirtschaftskrise sorgt beim Autokonzern im ersten Quartal für dramatisch schlechte Zahlen. Lohnkürzungen für 60.000 Mitarbeiter – die zeigen Verständnis

Betriebsrat und Konzernleitung senden SOS-Signale an die Politik

AUS STUTTGART INGO ARZT

Vor sechs Monaten, sagt Erich Klemm, Vorsitzender des Gesamtbetriebs der Daimler AG, hätte er es noch für völlig abwegig gehalten, Derartiges zu verkünden. An den 15 Standorten des Konzerns gab der Betriebsrat am Dienstag bekannt, dass Gehalt und Arbeitszeit von 60.000 Beschäftigten in Deutschland um 8,75 Prozent gekürzt werden. 60.000 weitere der 165.000 Beschäftigten in Deutschland befinden sich ohnehin in Kurzarbeit. Zudem wird eine für Mai geplante Tariferhöhung verschoben, Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld gesenkt. Für den Konzern, in dem sonst um jedes Promille Gehalt hart gefeilscht wird, ist der fast harmonisch verkündete Verzicht ungewöhnlich. Und ein Zeichen, wie ernst die Krise ist.

Sowohl Konzernspitze als auch Betriebsrat bezeichnen die Schritte als „alternativlos“. Im ersten Quartal sorgte die Wirtschaftskrise für dramatisch schlechte Zahlen: Der Verlust betrug 1,28 Milliarden Euro, im Vorjahr stand noch ein Gewinn von 1,3 Milliarden. Der Umsatz sank von 24 auf 18,7 Milliarden Euro, der Absatz an Pkw und Nutzfahrzeugen brach um 34 Prozent auf 332.300 ein.

Die Verhandlungen mit den Mitarbeitern seien geprägt gewesen von „gegenseitigem Verständnis“, sagte Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Klemm. Auch die Führungsebene des Konzerns übt sich in Verzicht: Boni dürfte es durch die vom Erfolg abhängige Vergütung 2009 ohnehin nicht geben, Führungskräfte verzichten in diesem Jahr auf ein Monatsgehalt, der Vorstand auf zwei Monatsgehälter und auf die üblichen Gehaltserhöhungen.

Insgesamt 4 Milliarden Euro will Daimler-Chef Dieter Zetsche 2009 einsparen, davon 2 Milliarden Euro bei den Arbeitskosten. Trotzdem gibt es auch gute Nachrichten: Betriebsbedingte Kündigungen soll es bis zum 30. Juni 2010 nicht geben, zudem werden nun doch alle Auszubildenden übernommen – wenn auch teilweise nur mit befristeten Verträgen.

Dennoch scheint der Autobauer damit die Grenze der Einsparungen ohne Entlassungen erreicht zu haben. Zumindest funkten sowohl Betriebsrat als auch Konzernleitung ein SOS an die Politik, die Sozialabgaben auf Kurzarbeitergeld und die Besteuerung für Jahreswagen zu senken. Zudem will der Konzern die Ergebnisbeteiligungen der Mitarbeiter aus dem vergangenen Jahr in eine Kapitalbeteiligung umbauen. Bisher scheitere dies, weil die dafür eingesetzten Beträge besteuert würden, sagte Porth. Dabei sei es ein sinnvolles Modell: Mitarbeiter verzichten in der Krise nicht vollständig auf ihr Geld, sondern beteiligen sich dafür am Unternehmen.

Klemm und Porth hofften, dass die von Daimler getroffenen Maßnahmen als Vorbild für den gesamten Industriezweig dienen könnten. Denn die Automobilzulieferer in Süddeutschland ächzen unter der Krise. Der Kolbenhersteller Mahle kündigte an, weltweit 10 Prozent seiner 49.000 Beschäftigten zu entlassen, in Bayern wird ein Werk geschlossen. Auch Bosch kündigte Entlassungen und Verluste an.