berliner szenen Trauriges Tegel

Es sind noch Pfunde da

Über den Wolken muss die Gedankenfreiheit wohl grenzenlos sein. Da darf man dann auch mal im „Untergang des Abendlandes“ blättern, Oswald Spenglers kleiner Weltgeschichte aus dem Jahre 1918. Da behauptet der Dichter, London und Paris würden dereinst von New York und, öhem, Berlin als Weltstädten abgelöst.

Wie ein betrunkener Wellensittich schwirrt diese Behauptung dem Fluggast durch den Kopf, als er in London landet. Er grübelt noch immer, als er an einem der zahllosen „Exchange“-Schalter in Heathrow seinen schäbigen Euro gegen das stolze Pfund eintauscht, in einem herrlich babylonischen Stimmengewirr aus Englisch, Urdu, Hindi, Kisuaheli und was man sonst noch so spricht im Commonwealth. Er wälzt diesen Gedanken noch immer hin und her, während er sich wegen der gepfefferten Preise vorkommt wie ein Besucher aus Kasachstan am Potsdamer Platz. Abends dann im Pub ertränkt der Tourist den Spenglerschen Gedanken in Bier für umgerechnet 10 Euro das Glas. Cheers.

Später dann, beim Rückflug, kommt ihm beim Blick auf die marmorne Wolkenplatte über Berlin die Sache mit der Weltstadt wieder in Sinn. Der Heimkehrer will seine restlichen Pfund gerne wieder in Euro umtauschen. Keine „Exchange“-Bude weit und breit. Die einzige Bankfiliale vor Ort? Geschlossen, für immer. Nirgendwo auf dem Flughafen der deutschen Weltstadt gibt es mehr die Möglichkeit, Geld zu tauschen. Sollte sich Oswald Spengler am Ende wirklich gerirrt haben?

Helmut Höge, ein Kollege von Welt, wiegelt ab, verweist auf den geplanten Großflughafen Schönefeld und liefert die einzig denkbare Erklärung für den blamablen Service-Notstand: „Ach, Tegel hat doch schon innerlich aufgegeben“. ARNO FRANK