biolek bei mehdorn: der genussterror geht weiter von WIGLAF DROSTE
:

Zu den peinlichen Anhängewagen und Flennsusen, die eine Schaffenspause des TV-Entertainers Harald Schmidt zum Untergang des Fernsehabendlandes verkitschen, hat sich der Vorstandschef der Deutschen Bahn AG gesellt. Hartmut Mehdorn legte am 10. Dezember in der Süddeutschen Zeitung Zeugnis ab: „Da fehlt mir meine Lieblingssendung, wenn ich spät abends nach Hause komme. Harald Schmidt ist für mich intelligente Unterhaltung, die auch die Bahn nicht ausspart. Aber Harald Schmidt weiß als bekennender Bahnfahrer auch, wovon er spricht.“

So wirr und quakig, wie Mehdorn sich seinen Schmidt selig sprach, ist Harald Schmidt nie gewesen, nicht in seinen intelligenzfreien Werbeauftritten für McDonald’s, Nescafé oder Karstadt – mit Bruhaha-Slogans wie „Kaufregung bei Karstadt! Kaufwachen! Kaufgestapelt! Kaufheiternde Angebote!“ – und nicht einmal in seinen dumpfen Spots zugunsten der schurkischen Deutschen Bahn AG.

Von Unterhaltung versteht Hartmut Mehdorn eben genauso viel wie von seinem eigenen Unternehmen. Er kann die Bahn nicht lenken, ohne sie und die Nerven aller Fahrgäste final zu zerschroten. Um das Augenmerk von den vielfältigen Katastrophen zu wenden, die das Bahnfahren in Zeiten der Privatisierung, der Ich- und Bahn-AGs bedeutet, hat sich Mehdorn den aufdringlichsten Kochlöffel des Landes in den Zug geholt. Von Dezember 2003 bis Mai 2004 gibt es in den ICE-Speisewagen der Deutschen Bahn jeden Monat ein Gericht nach Rezepten von Alfred Biolek – der gemeinsam mit Eckart Witzigmann „Rezepte, wie wir sie mögen – Alte und neue Klassiker“ auf den Markt feuerte und nun in der Bahn feilhält. In der Dezemberausgabe der Bahnzeitschrift DB mobil wird Biolek, die alte Schmunzelmuffe, als „Botschafter des Genusses“ gepriesen und mit hymnischen Sätzen gefeiert, die stark ins unfreiwillig Beleidigende hineinspielen: „Seltener Eindruck: Alfred Biolek, bekannt als quicklebendiger Plauderer, still vertieft in die Lektüre eines Manuskripts.“ So kann man es auch ausdrücken: Die Maultasche Alfred Biolek kann sich selbst nicht halten.

Und verklärt deshalb eben auch noch den Verzehr von Mikrowellenfutter zum „Genuss“. Penetrant ausgestellte Genussfähigkeit ist Pflicht und Statusgebaren zugleich. Wer sich im Labor ausgeheckte Essensverbrechen von Nestlé, Knorr & Co. in den Kopf steckt, funkelt dabei verführerisch mit den Äuglein. In der Welt des notorischen Genießenmüssens ist auch das Verschlingen von „Maggi fix“ an ein erotisches Versprechen gekoppelt: erst Müllverzehr, dann Müllverkehr. Die Behauptung eines sinnlichen Genusses aber wird um jeden Preis aufrechterhalten; je denaturierter einer ist, desto lauter wird er behaupten, in Genüssen zu schwelgen.

Das affige Genussgetue erinnert sehr an eine Szene aus dem „Lucky Luke“-Heft „Tortillas für die Daltons“. Der notorisch schlichte und gefräßige Averell Dalton fragt seinen Gastgeber, einen mexikanischen Banditen: „Knrrps! Ich liebe die exotische Küche! Wie nennt sich denn die delikate Kruste hier um die Frijoles?“ Der Gastgeber antwortet ihm: „Die nennt sich Tonschüsselchen, Amigo!“