Köhler fordert Geld für Afrika

Bundespräsident: Regierung soll endlich Entwicklungshilfe aufstocken. Subventionen in Industrieländern lassen die Wirtschaft Afrikas nicht hochkommen. „Kein Land aufgeben“

BERLIN taz ■ „Was gehen uns andere an?“ Unter diese Leitfrage stellte Bundespräsident Horst Köhler gestern seine „Weltethos“-Rede, die er auf Einladung des katholischen Theologen Hans Küng in Tübingen hielt. Die gleichnamige Stiftung will den interreligiösen Dialog und damit den Frieden fördern. Der Bedeutung der christlichen Ethik für Europa und dem Verhältnis zu anderen Religionen und Kulturen widmete das deutsche Staatsoberhaupt daher den ersten Teil seiner Rede.

Erst mit dem Eintritt des Christentums in die antike Welt, so Köhler, habe die moralische Pflicht zu Hilfe und Fürsorge für den anderen „eine Dringlichkeit, die es vorher und anderswo so nicht gegeben“ habe. Die hoch entwickelten antiken Kulturen hätten keine solche Verpflichtung gekannt. Der Bundespräsident ging nicht darauf ein, wie sich das mit anderen Religionen wie dem Islam verhält, zog aber weitreichende Folgerungen aus dieser Analyse: Die „historisch neue“ Solidarität des Christentums habe Europa „tief geprägt“ und „zivilisiert“. Aus diesen Erfahrungen heraus „müssen wir darauf bestehen, dass unter uns zivilisatorische Standards unbedingt eingehalten werden, wie sie zum Beispiel unser Grundgesetz formuliert.“

Köhler betonte, der Respekt vor jeweils anderen Kulturen dürfe keine „pseudokulturelle Bemäntelung von Unterdrückung, Diktatur und Armut hinnehmen“. Der Rat, man solle sich überhaupt nicht in die Angelegenheiten anderer einmischen, ist seiner Auffassung nach nicht nur „moralisch fragwürdig“, sondern auch politisch „fatal“.

Der Bundespräsident wurde konkret – am Beispiel Afrikas, wohin ihn nächste Woche seine erste Reise ins außereuropäische Ausland führen wird. „Für mich entscheidet sich die Menschlichkeit unserer Welt am Schicksal Afrikas“, sagte Köhler. „Wir müssen endlich begreifen, dass wir in einer Welt leben!“ Wenn wir uns nicht als Partner der Armen verstünden, könnten wir „in den so genannten entwickelten Ländern“ weder „unseren Wohlstand noch unsere Sicherheit noch unseren Frieden erhalten“.

Das Staatsoberhaupt rief die Industrieländer, darunter namentlich die Bundesrepublik, dazu auf, endlich ihrer Selbstverpflichtung zu entsprechen und 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts für Entwicklungshilfe aufzuwenden. In vielen afrikanischen Ländern sei der Staat zu schwach. Nur ein starker, funktionierender Rechtsstaat könne jedoch die Menschenrechte garantieren und Probleme wie Korruption, Kriminalität und Aids bekämpfen.

Außerdem forderte Köhler den Abbau handelsverzerrender Subventionen. Er wird Benin besuchen, wo Baumwolle 70 Prozent aller Exporte ausmacht: „Die hohen Subventionen für Baumwollproduzenten in den Industrieländern untergraben damit massiv die Entwicklungsmöglichkeiten dieses kleinen Landes.“ Eine weitere Station der geplanten Reise wird Sierra Leone sein, wo nach zehnjährigem Bürgerkrieg „ein Friedensprozess in Gang gekommen“ sei. Dieses Beispiel zeige: „Man darf kein Land aufgeben oder abschreiben.“ Ausdrücklich begrüßte Horst Köhler, dass die konstituierende Akte der Afrikanischen Union die Frage nach der Zulässigkeit einer humanitären Intervention eindeutig mit Ja beantwortet habe. BETTINA GAUS